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Ernährung von Kaninchen ohne Schneidezähne

Kaninchen, denen die Schneidezähne gezogen wurden, können relativ normal ernährt werden. Lediglich das Benagen von Ästen und das Abbeißen fester Futterstücke ist ihnen nicht mehr möglich. Mitunter bereitet ihnen auch das Fressen sehr breiter Blätter Schwierigkeiten. Mit Gras, Kräutern, Gemüsegrün und kleinen Blätter hingegen haben sie i. d.  R. keine Probleme. Hier erfahren Sie, was Sie bei der Ernährung von Kaninchen ohne Schneidezähne beachten müssen.


Warum haben manche Kaninchen keine Schneidezähne?

Gründe, weshalb einem Kaninchen die Schneidezähne operativ entfernt werden müssen, sind einerseits Zahnfehlstellungen und andererseits Zahnwurzelerkrankungen. Letztere können z. B.  durch Fehlbelastungen (hartes Futter, Fehlstellung, ...), Traumata (Stürze, Zusammenstöße etc.) oder tierärztliche Behandlungsfehler (Abknipsen!) entstehen. Ist die Zahnwurzel irreparabel geschädigt, muss der Zahn komplett gezogen werden.  Er wächst anschließend nicht mehr nach.

Traumata können auch dazu führen, dass die Schneidezähne abbrechen. Handelt es sich dabei nur um einen kleinen Teil, wächst der Zahn unbeeinträchtigt nach. Bricht dagegen ein so großes Stück von der Zahnkrone ab oder entsteht ein so tiefer Riss im Zahnschmelz, dass die Pulpa eröffnet wird, kann dies wiederum zu einer Zahnwurzelentzündung und somit zum Zahnverlust führen.

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Zahnfehlstellung

In einem gesunden Kaninchengebiss stehen die unteren Schneidezähne genau zwischen den beiden oberen Frontzähnen und den dahinter befindlichen winzigen Stiftzähnen. 

Viele besonders kurzköpfige Zwergkaninchen leiden an einer sogenannten Brachygnathia superior, d. h. einem verkürzten Oberkiefer. Dadurch stehen die oberen Schneidezähne hinter den unteren. Anstatt sich gegenseitig abzuschleifen, wachsen sie aneinander vorbei. Das kann so schnell gehen, dass sie lebenslang alle zwei Wochen vom Tierarzt kurzgeschliffen (keinesfalls geknipst!) werden müssen. 

Um dem Kaninchen diesen Stress zu ersparen, werden die Zähne in aller Regel so früh wie möglich gezogen. Einen wirklichen Nutzen haben sie für die Tiere ohnehin nicht, da es sie durch den fehlenden Kontakt zueinander kaum einsetzen kann. Vielmehr wirken sie hinderlich bei der Futteraufnahme und bei der Fellpflege.

Stehen die oberen Schneidezähne nur leicht hinter den unteren (haben also noch einen minimalen Kontakt zueinander), schleifen sie sich zwar noch gewissermaßen ab, auf Dauer ist dies aber meist nicht ausreichend. Das Gleiche gilt, wenn ein Kaninchen nur noch einen unteren oder oberen Schneidezahn besitzt, dem zwei gegenüberstehen. Auch in diesen Fällen müssen die Zähne meist regelmäßig kurzgeschliffen werden - wenn auch in größeren Intervallen. Da das Kaninchen sie dennoch nutzen kann, werden sie i. d. R. nicht entfernt.

Bei einem Aufbiss stehen die oberen Frontzähne auf den unteren Schneidezähnen (anstatt leicht davor). Es handelt sich also um einen leichten Unterbiss. Das Kaninchen kann die Zähne ganz normal nutzen, es ist jedoch möglich, dass der permanente Druck auf die Zahnkronen langfristig zu Entzündungen im Zahnwurzelbereich führt (siehe nächster Absatz).


Zahnwurzelerkrankungen

Ist eine Zahnwurzel entzündet, muss der Zahn in aller Regel gezogen werden. Nur bei sehr dezenten Entzündungsanzeichen kann ein Therapieversuch mittels Antibiotika, Entzündungshemmern und Druckentlastung durch Kurzschleifen unternommen werden. Bei einem größeren oder gar eitrigen Entzündungsprozess hingegen hat eine konservative Therapie keine Chance.

Eine Zahnwurzelentzündung kann verschiedene Ursachen haben:

  • langfristige Fehlbelastung infolge einer Zahnfehlstellung (angeboren, traumatisch oder fütterungsbedingt)
  • langfristige Fehlbelastung durch Fütterungsfehler (harte Futterbrocken, die durch kraftvolle Quetschbewegungen zerkleinert werden müssen - betrifft nur die Backenzähne)
  • Zahnfrakturen durch das Beißen auf etwas Hartes (z. B. Metallgitter, Erbsenflocken, Maischips, Körner)
  • übergreifender Entzündungsprozess durch einen benachbarten Zahn (z.  B. vom ersten Backenzahn auf die Schneidezahnwurzeln)
  • Abbrechen der Zahnkrone mit Eröffnung der Pulpahöhle (z. B. durch einen Sturz, Tritt oder Zusammenstoß)
  • tierschutzwidrige, traumatische Zahnkorrekturen durch Abknipsen /  Abkneifen (Zähne dürfen ausschließlich durch Schleifen gekürzt werden!)

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Wie werden Kaninchen ohne Schneidezähne ernährt?

Fehlende Schneidezähne beeinträchtigen die (artgerechte) Ernährung von Kaninchen nur wenig. Sie können ebenso mit Heu und Grünfutter ad libitum ernährt werden wie andere Kaninchen, denn sie fressen völlig unbeeinträchtigt:

  • "schmale" Küchen-, Wiesen- und Gemüsekräuter
  • Gräser jeder Länger
  • kleine Blätter (Durchmesser abhängig von der Größe des Kaninchens)
  • dünne, weiche Zweige
  • weiche Heuhalme jeder Länge

Diese Futtermittel werden von Kaninchen allgemein nicht häppchenweise verzehrt, sondern mit den Lippen aufgenommen und dann während des Kauens "spaghettiartig" in den Mund gezogen. Sie werden also am Stück gefressen, ein Abbeißen erfolgt nicht oder nur gelegentlich.

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Die Futtermittel, mit denen Kaninchen ohne Schneidezähne Schwierigkeiten haben, sind für eine gesunde Ernährung nicht zwingend erforderlich:

Wurzelgemüse wie Karotten, Sellerieknollen, Paprika etc. und Obst sollten auch zahngesunden Kaninchen nur in Leckerli-Mengen angeboten werden, da sie kaum Rohfaser und gleichzeitig zu viele Kohlenhydrate (Zucker, Stärke, ...) enthalten. Es spielt also im Prinzip keine Rolle, dass Kaninchen ohne Schneidezähne nicht davon abbeißen können. Mit einem Streifen geraspeltes Wurzelgemüse oder einem kleinen Obstwürfel können Sie ihnen eine Freude machen.

Die größte Beeinträchtigung durch fehlende Schneidezähne besteht wohl darin, dass die Kaninchen ihrem Nagetrieb nicht nachkommen können. Auch können sie dicke oder harte Zweige nicht fressen, da sie hierfür die Rinde abschälen beziehungsweise den Zweig durchbeißen müssten. Zarte Zweige hingegen können ebenso wie anderweitiges Grünfutter wie Spaghetti ins Mäulchen gezogen und "gemümmelt" werden. Sie sollten ad libitum angeboten werden.

Blätter, die an dicken Zweigen wachsen, können weder abgezupft noch zusammen mit dem Zweig gefressen werden. Sofern keine dünneren grünen Zweige vorhanden sind, die die Tiere im Ganzen fressen können, sollten Sie für Ihre schneidezahnlosen Kaninchen immer einige Blätter abpflücken und ihnen separat anbieten.

Harte Heuhalme werden von zahngesunden Kaninchen benagt, durchgebissen und "etappenweise" verzehrt. Für die Backenzähne stellen sie ein Risiko dar, da sie sich erstens in die Zahnzwischenräume einspießen können und zweitens die Zahnwurzeln belasten, wenn das Kaninchen zum Zerkauen kräftig zubeißen muss. Daher sollten Sie generell nur weiches Heu verfüttern.

Breite Blätter (z. B. Wirsing, Ampfer, Riesenbärenklau) können oft nicht einfach so ins Mäulchen gezogen werden, sodass Kaninchen mit Schneidezähnen Teile davon abrupfen oder -beißen. Ist dies nicht möglich und stehen nicht ausreichend kleinere Blätter zur Verfügung, zerreißen oder zerschneiden Sie das Futter einfach grob, bevor Sie es anbieten.

Das Grasen fällt Kaninchen ohne Schneidezähne schwerer, da sie die Pflanzen normalerweise mit den Schneidezähnen abbeißen oder abrupfen würden. Teilweise gelingt dies auch mit den Lippen. Beobachten Sie genau, ob dies bei Ihrem Kaninchen der Fall ist. Ansonsten muss ihm auch während des Gartenfreilaufs immer ausreichend Gepflücktes angeboten werden.

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Mitfressende Partnertiere?

Viele Partnertiere finden das zerkleinerte "extra Futter" ihres Artgenossen grundsätzlich interessanter als ihr eigenes. Generell schadet es Ihren übrigen Kaninchen natürlich nicht, wenn sie sich ebenfalls an den Blättern bedienen, die Sie für den Zahnpatienten vorab zerkleinert oder abgezupft haben. 

Allerdings bedeutet es für Sie möglicherweise einen erheblichen Mehraufwand, das Futter nicht nur für ein, sondern für alle Kaninchen entsprechend vorzubereiten. Um sich diese Arbeit zu ersparen, können Sie den Zahnpatienten mit einem Microchip kennzeichnen lassen und ihn einen eigenen Futterbereich einrichten, der nur durch eine microchipgesteuerte Katzenklappe zu erreichen ist. Ausführliche Informationen dazu finden Sie hier.