Die Website für zeitgemäße Kaninchenhaltung

Platzbedarf von Kaninchen tagsüber und nachts

Seit September 2019 ist es offiziell: Das Einsperren von Heimtier-Kaninchen in handelsübliche Käfige oder Ställe - auch stundenweise oder "nur nachts" - stellt einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar.

Einem Kaninchenpärchen (bis max. 3 kg Körpermasse) müssen rund um die Uhr mindestens 6 qm Fläche zur Verfügung stehen.

Artikel zu diesem Thema:


Rechtliche Hintergründe

Laut §2 Tierschutzgesetz müssen Tierhalter ihre Tiere deren „Bedürfnissen entsprechend“ unterbringen und dürfen „die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm (…) vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden“.

Dieser Gesetzestext erlaubt zunächst viel Interpretationsspielraum: Wie genau sehen die Bedürfnisse der entsprechenden Tierart aus? Was genau ist letztlich notwendig, um diesen gerecht zu werden? Und ab wann gilt die Bewegung als derart eingeschränkt, dass den Tieren Leiden oder Schäden zugefügt werden?

Um diese Fragen zu beantworten und zu entscheiden, ob eine Tierhaltung dem Tierschutzgesetz entspricht oder nicht, orientieren sich Amtstierärzte und Gerichte grundsätzlich an den Richtlinien der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT). Diese Richtlinien wurden von spezialisierten Veterinärmedizinern auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickelt und sind in den TVT-Merkblättern festgehalten, welche hier öffentlich zur Einsicht und zum Download angeboten werden:

Die Haltungsbedingungen von Heimtierkaninchen sind im Merkblatt Nr. 157 festgehalten:


Die Vorschriften für die Innenhaltung lauten wie folgt:

Für eine Dauerhaltung von zwei Kaninchen sollte eine Grundfläche von mindestens 6 m² (für jedes weitere Tier muss die Fläche um mindestens 20% vergrößert werden) zur Verfügung stehen. Dafür kommen mehrere Haltungssysteme in Frage: z.B. Kaninchenzimmer, Kombination aus Freilauf und Käfig (dieser muss mindestens 150 x 60 x 50 cm (LxBxH) groß sein und darf nur als Rückzugsmöglichkeit verwendet werden, dazu muss er ständig offenstehen (Türchen abbauen)

Die Vorgaben für die Außenhaltung lauten:

Erforderlich für die tiergerechte Außenhaltung ist ein strukturierter Auslauf (mindestens 6 m² für zwei Kaninchen) mit einem entsprechend groß dimensionierten, witterungsgeschützten (…) Bereich. (…) Das Gehege muss gegen Entweichen (Ausbuddeln) gesichert sein, und Schutz vor Fressfeinden (…) ist erforderlich.

Die TVT-Richtlinien gelten als antizipiertes Sachverständigengutachten über §2 des Tierschutzgesetzes. Auf ihrer Basis erteilen Amtstierärzte Auflagen und entscheiden Gerichte darüber, ob eine Tierhaltung dem Tierschutzgesetz entspricht.

Anders als oft behauptet, sind die TVT-Richtlinien also keineswegs "nur Empfehlungen"! Sie eröffnen Amtstierärzten die Möglichkeit, einen Tierhalter mit unzureichenden Haltungsbedingungen zu einer entsprechenden Verbesserung innerhalb einer bestimmten Frist zu verpflichten - anderenfalls drohen Bußgelder oder die Beschlagnahmung der Tiere. Sollte es zu einem Rechtsstreit kommen, orientieren sich die Gerichte in aller Regel an den TVT-Richtlinien, vertreten also die Position der Amtstierärzte.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Tatsache, dass die TVT-Merkblätter von Zooläden verwendet werden, um beim Verkauf von Tieren ihrer Informationspflicht nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 Tierschutzgesetz nachzukommen. Wer Kaninchen im Zoofachhandel erwirbt, wird also seit September 2019 über die TVT-Merkblätter ausdrücklich (auch schriftlich) darüber informiert, dass eine Käfig- oder Stallhaltung unzulässig ist.


Kaninchen im Käfig: gesellschaftlich tolerierte Tierquälerei

Kein Tierliebhaber der heutigen Zeit würde auf die Idee kommen, einen Hund oder eine Katze regelmäßig in einen Käfig zu sperren.

Diese Überlegung wirft die Frage auf, weshalb noch immer so viele kleine Heimtiere mit dieser Art der Haltung "gestraft" werden - und die Besitzer sich nicht einmal darüber bewusst sind, dass sie damit gegen das Tierschutzgesetz verstoßen.

Wenn man einmal darüber nachdenkt, wie sich ein Mensch unter ähnlichen Bedingungen fühlen würde, erscheint es schier unvorstellbar, dass die Haltung von Kaninchen in Käfigen oder Ställen noch heute von einem Großteil der Bevölkerung als "normal" erachtet und toleriert wird.

Auf den Menschen übertragen sähe die "traditionelle" Kaninchenhaltung in etwa so aus: 20 Stunden oder mehr täglich in einem Raum von wenigen Quadratmetern, eingerichtet lediglich mit einem Bett, einem gut gefüllten Kühlschrank und einer Toilette.

Womit wüsste sich ein auf diese Art lebender Mensch zu beschäftigen? Wie viel Zeit am Tag würden er wohl damit verbringen, aus Langeweile zu essen oder einfach nur stumpfsinnig herumzusitzen oder zu schlafen? Wie lange würde er sich wohl mit einem Mitmenschen verstehen, der sich die ganze Zeit über in unmittelbarer Nähe befindet, ohne jegliche Privatsphäre? Wäre der Mensch ausreichend „entschädigt“, wenn er für wenige Stunden täglich „frei“ in Wohnung und Garten herumlaufen könnte?

Immerhin wären für den Menschen wenigstens die Nächte erträglich, da wir es gewohnt sind, acht Stunden am Stück durchzuschlafen. Das wechselaktive Kaninchen wäre schon aufgrund seiner Verdauungsanatomie nicht dazu in der Lage, eine Ruhe- oder Schlafphase über mehrere Stunden hinweg auszudehnen. Seine Ruhe- und Aktivitätsphasen wechseln -zigfach binnen 24 Stunden, insbesondere nachts und während der Dämmerungsstunden ist es allerdings besonders aktiv.

Dementsprechend hoch ist der Leidensdruck der Tiere, gerade dann, wenn sie im Grunde hellwach und energiegeladen sind, auf engem Raum ausharren und sich regelrecht zu Tode langweilen zu müssen.

Als Faustregel gilt: Je nach Größe der Kaninchen sind pro Individuum 3 qm oder erheblich mehr dauerhaft zur Verfügung gestellte Fläche das Minimum.

Unter Nichteinhalten dieser Richtlinie ist eine tiergerechte Haltung nicht möglich, was einen Verstoß gegen §2 des Tierschutzgesetzes darstellt (s.o.). Demzufolge kann eine tiergerechte Kaninchenhaltung ausschließlich in Gehegen oder komplett frei (im Zimmer, kompletten Haus oder auf dem Balkon) erfolgen.

Freie Zimmer-/ Wohnungshaltung - egal, ob von Hunden, Katzen oder Kaninchen - sowie die Unterbringung im Außengehege erfordern verschiedene, umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen; die Haltung im Zimmergehege oder frei auf dem Balkon hingegen ist i.d.R. vergleichsweise einfach zu realisieren - jedoch meist auch mit weniger Fläche verbunden.


Warum leben noch immer Kaninchen in Käfigen?

Das Bild des Kaninchens als "Käfigtier" machen sich hauptsächlich Züchter und andere Vermehrer sowie der Zoofachhandel zunutze: Sie bereichern sich einerseits an den Käfigen und Ställen selbst, ganz besonders aber auch daran, dass das vermeintlich pflegeleichte, anspruchslose Tier die Interessenten zu einem schnellen und unüberlebten Kauf verleitet.

Weiterhin untermalt wird das Bild des "einfachen Haustiers" durch den Verkauf von Trockenfutter, welches dem Kunden den Eindruck einer einfachen, preisgünstigen Fütterung vermittelt. Die Realität sieht leider gänzlich anders aus: Kaninchen sind von Natur aus reine Frischköstler; ihr gesamter Organismus ist darauf eingestellt, sich nahezu ausschließlich von frischem Grünfutter (Blätter, Gräser, Kräuter und Zweige) zu ernähren. Das einzige Trockenfutter, das einem Kaninchen überhaupt angeboten werden sollte, ist Heu. Pellets, Knabberprodukte, Trockenkräuter und Körnermischungen hingegen sind für Kaninchen massiv gesundheitsschädlich und unter keinen Umständen erforderlich!

Am schwersten wiegt jedoch der Verkauf lebender Tiere an sich in Zooläden, Kaufhäusern usw.. Das Angebot von Hunden und Katzen im Laden würde gesellschaftlich nicht mehr toleriert und wird daher natürlich auch nicht mehr praktiziert. Kaninchen und Nagetiere hingegen werden offenbar noch immer gerne als "Tiere 2. Klasse" betrachtet, die man wie ein Spielzeug oder einen Dekorationsgegenstand im Verbeigehen mit in den Wagen packen kann - aus einer spontanen Laune heraus, ohne jegliche vorherige Information oder Vorbereitung.

Die neben Kaninchen häufigsten Opfer dieser Einstellung sind die für Käfighaltung, eine Ernährung mit Trockenfutter oder als "Streicheltiere" ebenfalls absolut ungeeigneten Meerschweinchen.


Kaninchen als "pflegeleichtes Käfigtier": Wie lässt sich dieses Bild aus der Welt schaffen?

Noch immer halten weite Teile der Bevölkerung das Kaninchen für ein anspruchsloses, pflegeleichtes Anfänger- oder Kindertier. Um dieses Bild zu ändern, muss einerseits die Bevölkerung aufgeklärt werden; andererseits sind strengere Vorgaben für diejenigen erforderlich, die von dem genannten Mythos profitieren. Denn Züchter und Zoohändler sind nicht nur direkt für  Tiere verantwortlich, sondern werden vom Käufer auch als Informationsquelle genutzt und stellen eine Vorbildfunktion dar. Die folgenden Maßnahmen würden dabei helfen, gegen das Leid der Heimtier-Kaninchen vorzugehen:

  • Das Sortiment im Zooladen muss angepasst werden. Tierschutzwidrige Ware wie Käfige, Ställe, Nippeltränken, Leinen und Trockenfutter gehört entfernt und durch tierfreundliche Alternativen ersetzt.

  • Lebentierverkauf im Zoofachhandel und in Kaufhäusern muss ausnahmslos verboten werden. Eine tierfreundliche Alternative sind "Adoptionsstuben". Hierbei handelt es sich um Räumlichkeiten im Geschäft, in denen Tierheimtiere untergebracht und nach den Tierheim-Richtlinien vermittelt werden.

  • Züchtern und anderen Vermehrern müssen strenge Regeln auferlegt werden, deren Einhaltung regelmäßig kontrolliert werden muss. Die Unterbringung und Fütterung der Tiere muss nach den Vorgaben der TVT-Richtlinien erfolgen. Kotuntersuchungen auf Parasiten, Blutuntersuchungen auf E. cuniculi undein lückenloser Impfschutz müssen verpflichtend sein.

  •  Kaninchen müssen teurer abgegeben oder vermittelt werden. Nur so sind die genannten Maßnahmen umsetzbar und der Käufer gewinnt einen realistischen Eindruck davon, was finanziell auf ihn zukommt. Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb Hunde und Katzen für mehrere hundert oder sogar tausend Euro abgegeben werden, während man kaum ein Kaninchen für mehr als 130 € finden wird. Die Kosten für die Unterbringung, Ernährung und tierärztliche Behandlungen eines Kaninchens sind keineswegs geringer als die für Hund und Katze!

Helfen Sie dabei, Tierleid zu vermeiden: Wählen Sie nicht die günstigste, sondern die verantwortungsvollste Abgabestelle! Damit unterstützen Sie nicht nur den Tierschutz, sondern sparen sich in vielen Fällen auch hohe nachträgliche Kosten. Ein kastriertes, geimpftes, auf Kokzidien und E. cuniculi getestetes, an artgerechtes Futter und Gehegehaltung gewöhntes Kaninchen für 150-200 € ist in jedem Fall gegenüber einem "Billigtier" zu bevorzugen, in dessen Gesundheitsvorsorge oder medizinische Behandlung Sie unmittelbar nach der Aufnahme selbst investieren müssen.

So lässt sich tiergerechte Außen- und Innenhaltung umsetzen:

Artikel zum Thema: