Kaninchen greifen entweder aus Angst oder anderweitig bedingter Aggressivität an, wobei Aggressionen dem Menschen gegenüber praktisch immer auf Haltungsfehler und / oder Angst zurückzuführen sind.
Einzige Ausnahme wäre ein (meist wiederholt auftretendes) Erlebnis, aus dem das Kaninchen gelernt hat, dass der Mensch ihm Ressourcen streitig macht: z. B. die wiederholte Wegnahme von Futter, während das Kaninchen beim Fressen ist. In diesem Fall entwickelt das Kaninchen tatsächlich ein Bedürfnis, sein "Hab und Gut" gegenüber dem Menschen zu verteidigen.
Angriffe werden durch Kratzen, Beißen und Jagen getätigt. Das Kratzen erfolgt meist mit den Vorderläufen, mitunter springt das Kaninchen jedoch auch über seinen Artgenossen und verpasst ihm dabei einen "Tritt" mit den Hinterfüßen. Das Beißen unterteilt sich grob in Zwicken - dabei verliert das betroffene Tier meist lediglich Fell und erleidet einen leichten Schmerz - und kräftiges Beißen, welches durchaus zu blutigen Wunden führen kann.
Angstaggression
Angstaggression kommt vor allem gegenüber dem Menschen infolge von Haltungsfehlern vor. Ein Mensch, der sein Kaninchen in die Enge treibt - womöglich nach einer Verfolgungsjagd - braucht sich nicht zu wundern, wenn es den einzigen Ausweg in einem Angriff sieht; auch in der Natur hätte es keine andere Möglichkeit mehr, um sich zu schützen.
Gerade Kaninchen, die als "Kinderspielzeuge" herhalten müssen, werden häufig aggressiv, da dem Kind nicht bewusst ist, dass es sein Kaninchen bedrängt. Wird ein angreifendes Tier dann auch noch bestraft, verstärkt das seine Aggressionen lediglich, da es sich in seiner Angst vor dem Menschen bestätigt fühlt.
Auch innerhalb einer Kaninchengruppe kann es zur Angstaggression kommen - fast immer infolge von Haltungsfehlern. Dazu gehört das Einsperren der Tiere auf engen Raum (Käfige, Ställe etc.): Möchte das überlegene Kaninchen die Rangordnung klären, kann das unterlegene nicht flüchten und sieht seine einzige Chance in einem Gegenangriff. Dieser wiederum wird vom dominanten Tier als "Herausforderung" betrachtet, da ein unterwürfiges Tier normalerweise fortlaufen würde.
Kaninchen verstehen nicht, dass dies auf engem Raum nicht möglich ist - sie gehen lediglich ihrem Instinkt nach Notwehr bzw. Verteidigung der Rangordnungsposition nach. Auf diese Weise eskaliert ein Kampf in einer "Sackgasse" binnen kürzester Zeit, was zu schweren Verletzungen führen kann.
Vor allem unter gleichgeschlechtlichen Tieren und gerade, wenn sich diese nicht von kleinauf kennen, sind derartige Vorfälle keine Seltenheit.
Ebenfalls gefährlich werden können Unterschlüpfe, die nur einen Ein- bzw. Ausgang haben: Auch hier kann sich ein unterlegenes Kaninchen leicht in die Enge getrieben fühlen, wenn das dominante Tier den Ausgang "versperrt", und zum Gegenangriff übergehen.
Anderweitig bedingte Aggression
Die Ursachen innerartlicher Aggressionen reichen darüber hinaus von individueller Asympathie gegenüber einem Partnertier über Rangordnungsklärung und die "Launen" insbesondere von Häsinnen bis hin zur Verteidigung von Ressourcen wie Futter, Weibchen bzw. Männchen, Unterschlupf oder Revier.
"Persönliche" Abneigungen treten unter Tieren ebenso auf wie unter Menschen und können dazu führen, dass ein bestimmtes Kaninchen regelmäßig von einem anderen angegriffen wird. Aber auch bei den meisten Tieren, die sich im Grunde mögen, kommt es hin und wieder zu kleineren Rangeleien, um die Rangordnungspositionen zu festigen oder neu zu regeln. Solange eines der Tiere eindeutig unterlegen ist, ergreift es stets die Flucht, wenn es angegriffen wird.
Eine größere Gefahr besteht bei gleichermaßen selbstbewussten Tieren, da es hier anstelle einer Flucht zum Gegenangriff kommt, was ernsthafte Verletzungen nach sich ziehen kann.
Auch innerhalb einer gewohnten Gruppe - je größer sie ist, desto häufiger - kommt es hin und wieder zu neuerlichen Rangordnungsklärungen: Grund kann z.B. eine Situation sein, die einem Kaninchen den Eindruck vermittelt, das unterlegene "auf seinen Platz verweisen" zu müssen; aber auch eine tatsächliche "Aufmüpfigkeit" kann Aggressionen beim Alpha-Tier hervorrufen. Möchte ein unterlegenes Tier in der Rangordnung aufsteigen, kann es zu den oben genannten Kämpfen kommen.
Wird ein gruppenfremdes Kaninchen gesichtet oder sein Geruch wahrgenommen, kann es durchaus zu Unverträglichkeiten innerhalb der Gruppe kommen, da ein neuer Artgenosse zunächst die komplette Rangordnung durcheinanderwirft. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt, wenn kein direkter Kontakt zwischen den Tieren besteht, sondern es "nur" gewittert wird: Die alteingesessenen Tiere können ihrem Bedürfnis nach Revierverteidigung und Rangordnungsklärung mit dem Neuling nicht nachkommen, die Folge sind ein Aufstau von Aggressionen und Stress.
Aus diesem Grunde führt die mittlerweile überholte "Gitter-an-Gitter-Methode" vor einer Vergesellschaftung nicht etwa dazu, dass die erste Begegnung glimpflicher abläuft, sondern im Gegenteil sind umso heftigere Reaktionen zu erwarten, da sich die aufgestauten Aggressionen bei der Zusammenführung unweigerlich entladen - evtl. sogar bereits vorher, indem ersatzweise die gewohnten Artgenossen attackiert werden. Die Harmonie der kompletten Gruppe ist dann stark in Mitleidenschaft gezogen.
Stress- und / oder launenbedingte Aggressionen werden häufig durch "Unfreundlichkeiten" gegenüber Artgenossen entladen. Ursachen können Platzmangel, eine mangelhafte Strukturierung des Kaninchenheims, Unterschlupfmangel, Menschenscheue, ein unbefriedigter Sexualtrieb, Scheinträchtigkeit, Lärm u.v.m. sein.
Eine tiergerechte Unterbringung (je nach Kaninchengröße mind. 6-10 qm pro Pärchen rund um die Uhr; umfangreiche Strukturierung des Kaninchenzuhauses, diverse Beschäftigungsmöglichkeiten; keine ständigen Lärmfaktoren), ggf. mehrere Futterplätze sowie die Kastration häufig scheinträchtiger oder enorm unausgeglichener, launischer Häsinnen sind daher Grundvoraussetzungen für Harmonie in der Kaninchengruppe.