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Frakturen (Knochenbrüche) und Luxationen (Ausrenkungen) beim Kaninchen

Die linke Zehe ist frakturiert und nach außen abgeknickt.

Ursachen für Frakturen und Luxationen

  • ungesicherte erhöhte Ebenen
  • glatte Böden
  • unsachgemäßes Hochnehmen (z. B. an der Nackenfalte)
  • unzureichende Fixierung beim Tragen
  • Festhalten der Hinterläufe
  • Tritt, Einklemmen, Hängenbleiben, Stoß oder anderweitiger Unfall
  • Osteoporose, z. B. altersbedingt oder durch Mangelernährung
  • Zahnerkrankung (als Ursache für Kieferfraktur)
  • Anwendung von Maulspreizern ohne Sedation / Narkose
  • Knochentumor

Da Kaninchen über ein sehr leichtes, empfindliches Knochengerüst verfügen, kommt es bei ihnen leider relativ schnell zu Frakturen. Sie können wie beim Menschen die Folge von Zusammenstößen, Stürzen oder Sprüngen aus zu großer Höhe sein – sei es vom Arm des Besitzers oder einem erhöhten Aufenthaltsort – , oftmals sind auch das Hängenbleiben mit dem Fuß in einem Gitter, wie sie z.B. in handelsüblichen Zimmerkäfigen oder Heuraufen zu finden sind, ungeeignete Fixierungsmaßnahmen (Festhalten der Hinterläufe, Hochnehmen an der Nackenfalte, ...), Getreten- oder Eingeklemmtwerden die Ursache.

Glatte Böden stellen ebenfalls eine mögliche Gefahrenquelle dar, da Kaninchen, die sich vor etwas erschrecken, beim unvermittelten Fluchtversuch darauf ausrutschen können. Noch gefährlicher sind glatte Oberflächen erhöhter Ebenen, von denen kein sicherer Absprung möglich ist. 

Wird ein Kaninchen an der Nackenfalte emporgehoben, kann es sich durch heftiges Strampeln die empfindliche Wirbelsäule brechen. Alte Wirbelfrakturen mit markanten "Knicken" in der Wirbelsäule sind nicht selten ein Zufallsbefund bei Kaninchen, die im Jungtieralter im Nacken gepackt wurden und massiv gestrampelt haben: Kommt es zu keiner Wirbelverschiebung mit Schädigung des Rückenmarks, kann die Verletzung unbemerkt konservativ verheilen. Dies ist für das Tier mit erheblichen Schmerzen verbunden, weshalb bei einem entsprechenden Verdacht immer umgehend ein Tierarzt aufgesucht werden muss!

Der Einsatz eines Maulspreizers am wachen Tier kann ebenfalls zu panischen Abwehrreaktionen mit schweren Verletzungen (Wirbelsäulen- und Kieferfrakturen, und Kiefergelenksluxationen) führen.

Osteoporose ist häufig eine Alterserscheinung. Sie kann aber auch die Folge einer Mangelerscheinung sein, z. B. eines Kalzium- oder Vitamin-D-Mangels. Letzterer betrifft reine Wohnungskaninchen, die weder ungefiltertes Sonnenlicht noch eine UVB-Lampe zur Verfügung haben. Von Kalziummangel sind am häufigsten säugende Häsinnen, Jungtiere im Wachstum und Kaninchen, die gezielt "kalziumarm" gefüttert werden.

Kieferfrakturen können die Folge einer Zahnerkrankung sein. Ein fortgeschrittenes retrogrades Zahnwachstum führt dazu, dass der Kieferknochen regelrecht  "durchbohrt" wird. Auch eine Abszessbildung an den Zahnwurzeln kann zu massiven Auflösungserscheinungen im Knochen führen. Weiterhin gehöten Kieferbrüche zu den Risiken einer Zahn-OP - insbesondere, wenn das Knochengewebe infolge der Zahnerkrankung bereits stark geschädigt ist.  

In selteneren Fällen ist der Angriff eines Raubtiers oder ein Knochentumor ursächlich.


Symptomatik

  • hochgradige Lahmheit bei Frakturen des Bewegungsapparates
  • Lähmungserscheinungen bei Wirbelsäulenfrakturen
  • Beschwerden beim Fressen und massives Speicheln bei Kieferfrakturen
  • Zähneknirschen, Bewegungsunlust, Schmerzmimik
  • Berührungsempfindlichkeit

Frakturen sind hochgradig schmerzhaft! Betroffene Tiere meiden daher jegliche Belastung und Berührung des betroffenen Körperteils.

Besonders deutlich ist dies bei Frakturen der Gließmaßen zu erkennen, welche, sofern sich das Kaninchen überhaupt noch fortbewegt, hinterhergeschleift oder durch Anheben entlastet werden. Rippenbrüche führen zu Atembeschwerden, Wirbelsäulenfrakturen zur Querschnittslähmung und hochgradiger Schmerzhaftigkeit beim Anheben des Tieres.

Besteht der Verdacht auf eine Fraktur, achten Sie daher unbedingt darauf, den verletzten Knochen nicht zu berühren oder zu belasten. Versuchen Sie keinesfalls, den Knochen auf eigene Faust zu "untersuchen"! 

Abgesehen davon, dass Sie dem Kaninchen anderenfalls erhebliche Schmerzen zufügen und es in deren Folge sogar in einen Schockzustand verfallen kann, können sich die Knochenenden an der Bruchstelle gegeneinander verschieben und umliegendes Gewebe verletzen. Besonders gefährlich ist dies im Falle eines Rippenbruches, da die Lungen oder das Zwerchfell durchstoßen werden können. Eine schwere Atemnot wäre die Folge.



Erste Hilfe bei Frakturen und Luxationen

  • Keine eigenhändige "Untersuchung"!
  • Verletzung nicht berühren
  • den Patienten so wenig wie möglich bewegen
  • Transport zum Tierarzt ohne Artgenossen
  • Transportbox nur mit einem rutschfesten Handtuch auslegen
  • lockere, saubere Abdeckung eines offenes Bruchs
  • wenn vorrätig, sofort Schmerzmittel eingeben

Versuchen Sie niemals, einen Knochenbruch selbstständig zu “richten”! Vermeiden Sie jegliche Berührung!

Um ein Tier zu transportieren, das sich möglicherweise eine Fraktur zugezogen hat, schieben Sie am besten eine dünne, feste Unterlage, z.B. ein Brett oder ein Tablett, unter den Körper des Kaninchens und legen dieses mit in die Transportbox oder, falls diese nicht groß genug ist, einen Karton.

Setzen Sie keinen Artgenossen mit in die Box! Durch Bewegung oder auch bloßes Anschmiegen könnte dieser den gebrochenen Knochen berühren und einerseits verschieben, andererseits das verletzte Tier in schmerzbedingte Panik versetzen.

Offene Brüche sollten Sie notdürftig vor Keimen schützen, indem Sie sie mit einer sterilen Wundgaze oder einem leichten, sauberen Tuch, z.B. einem frischen Kopfkissenbezug, Hand- oder Geschirrtuch, abdecken. Lassen Sie das Tuch dazu ohne jeglichen Druck auf die Wunde gleiten – es darf niemals hinaufgedrückt oder um die Gliedmaße gewickelt werden! Transportieren Sie das Kaninchen in einer Box, die mit einem sauberen, rutschfesten Handtuch ausgelegt ist. Verwenden Sie keine Einstreu!

Wenn Sie ein Schmerzmittel für Kaninchen zu Hause haben, sollten Sie es umgehend hochdosiert eingeben: Eine schnellstmögliche Schmerztherapie erspart dem Kaninchen nicht nur Leiden, sondern kann auch Komplikationen wie einem Schock und sekundären Magen-Darm-Beschwerden vorbeugen. Idealerweise ist der Patient also bereits während der Fahrt zum Tierarzt schmerzmitteltechnisch abgedeckt. 

Bei Verletzungen am wirksamsten ist ein sogenanntes nichtsteroidales Antiphlogistikum (NSAID) wie zum Beispiel Meloxicam. Alternativ oder idealerweise zusätzlich eignet sich Metamizol oder Tramadol. Dosierungen:

  • Meloxicam: 1 mg / kg; ab dem Folgetag 2x tgl. 0,5 mg / kg 
  • Metamizol: 75 mg / kg alle 6 Stunden
  • Tramadol: 2x tgl. 10-20 mg / kg 



Diagnostik bei Frakturen und Luxationen

  • Röntgendiagnostik
  • Computertomographie

Auch, wenn die Lahmheitsursache aufgrund des klinischen Bildes eindeutig erscheint, sind Röntgenaufnahmen in jedem Fall unerlässlich, um das Ausmaß der Verletzung beurteilen zu können. Es sind mindestens 2 Ebenen erforderlich, um Verschiebungen sicher ausschließen bzw. räumlich darstellen zu können. Im Falle eines offenen Bruches muss die Verletzung vor den Aufnahmen steril abgedeckt werden!

Komplizierte Brüche können mitunter mittels Computertomographie besser dargestellt werden.

Versuchen Sie keinesfalls, eine Fraktur selber zu  "diagnostizieren", indem Sie den betroffenen Knochen abtasten oder bewegen! Das ist nicht nur Tierquälerei, sondern kann die Problematik auch massiv verkomplizieren, wenn die Knochenenden sich gegeneinander verschieben. Im  Falle einer Luxation drohen zusätzliche Weichteilverletzungen.



Therapie bei Frakturen und Luxationen: Tierärztliche Erstversorgung

Abhängig von Art, Ausmaß und Lokalisation der Fraktur kommen verschiedene Therapiemaßnahmen infrage:

  • Schmerzmedikation
  • Schocktherapie
  • Schienen /  Verbinden der Gliedmaße
  • operative Versorgung
  • Amputation
  • knochengängiges Antibiotikum

In jedem Fall erhält das Kaninchen starke Analgetika (= Schmerzmittel). Sehr gut wirksam ist, wie bereits beschrieben, die Kombination eines entzündungshemmenden (z.B. Meloxicam, 2x tgl. 0,5 mg / kg) mit einem zentral wirksamen Schmerzmittel (z.B. Metamizol, 4-6x tgl. 50-75 mg / kg; Tramadol, 2x tgl. 10-20 mg / kg; Butorphanol 4-6x tgl. 0,1-1 mg / kg).

Starke Schmerzen können einen Schockzustand auslösen. In diesem Fall muss das Kaninchen zunächst stabilisiert werden. Dies erfolgt durch das Legen eines Venenkatheters und intravenöse (!) Infusionen, Wärme- und Sauerstoffzufuhr, Ruhe und einer hochdosierten Schmerzmedikation.

Abhängig von der Lokalisation und Art der Fraktur ist eine konservative Therapie (Schiene, Stützverband, Boxenruhe, weiches Futter, ...) oder eine operative Versorgung (Verdrahten / Nageln der Knochenfragmente) mit anschließenden Kontrollen notwendig

Die konservative Therapie ist v.a. bei Kiefer-, Becken- und Schulterfrakturen, bei Wirbelfrakturen ohne Schädigung des Rückenmarks sowie bei Luxationen von Zehengelenken angezeigt. Auch Hüftgelenksluxationen können unter Schmerzmedikation und strenger Boxenruhe konservativ verheilen, ohne dass das Kaninchen danach zwangsläufig gehbehindert ist:  Das verschobene Gelenk wird mit der Zeit durch die umgebende Muskulatur in seiner neuen Position stabilisiert, wodurch die Tiere die Gliedmaße wieder belasten können. Allerdings ist die langfristige Entwicklung einer Arthrose in dem fehlpositionierten Gelenk nahezu vorprogrammiert, weshalb die konservative Therapie prinzipiell nur bei nicht-narkosefähigen und / oder alten Tieren zu empfehlen ist.

Bei Gliedmaßenfrakturen ist meist eine operative Versorgung ratsam oder sogar zwingend erforderlich: Sie gewährleistet das korrekte Zusammenwachsen der Knochenenden. Diese werden i.d.R. mit Drähten aneinander fixiert, da das Festschrauben von Osteosyntheseplatten (wie es bei Katzen und Hunden Routine ist) beim Kaninchen leicht zu weiteren Splitterfrakturen der Knochen führt. Je nach Art der Fraktur und Alkter des Tieres kommen verschiedene Techniken in Betracht.

Insbesondere offene Frakturen  (d.h. Brüche, bei denen der Knochen aus der Haut steht oder durch die Haut und Muskulatur zu sehen ist), müssen notfallmäßig chirurgisch versorgt werden, um schweren Infektionen vorzubeugen. Auch Wirbelfrakturen mit neurologischen Ausfallerscheinungen (z. B. Lähmungen) erfordern eine sofortige Operation, um das Leben des Patienten zu retten. 

Anderweitige Frakturen stellen hinsichtlich der Schmerztherapie ebenfalls Notfälle dar, ihre chirurgische Versorgung darf jedoch ein oder zwei Tage warten. Bei Hüftgelenksluxationen bestehen recht gute Heilungschancen durch eine Femurkopfhalsresektion (Entfernung des Oberschenkelkopfs und -halses): Sie beugt einer Arthrosebildung im Hüftgelenk vor. Das Gelenk bleibt dabei zwar fehlplatziert, jedoch nach einigen Wochen durch die umliegende Muskulatur stabilisiert. 

Das Reponieren eines ausgekugelten Hüftgelenks in Narkose ist beim Kaninchen wenig erfolgversprechend, da es in der Regel zu erheblichen Instabilitäten mit der Folge einer Reluxation, also einer erneuten Auskugelung, kommt.  

In einigen Fällen kann auch die Amputation einer gebrochenen Gliedmaße erforderlich sein - z.B. bei komplizierten Splitterfrakturen, Knochentumoren oder multiresistenten Bakterien in einem offenen Frakturbereich.

Das klingt für den Besitzer meist schlimmer, als es ist - dreibeinige Kaninchen, vor allem kleine oder Zwergrassen, kommen mit ihrer Behinderung i. d. R. schon nach kurzer Zeit hervorragend zurecht und bewegen sich so sicher, dass einem Außenstehenden das fehlende Bein nicht einmal auffällt.

Bei offenen Frakturen ist eine knochengängige Antibiose erforderlich



Frakturen und Luxationen: Nachsorge und Heilungsphase

  • Schmerzmedikation
  • ggf. kochengängiges Antibiotikum
  • Nach Amputationen:  Unterstützung bei der Fell- und Ohrenpflege, Pododermatitis-Prophylaxe
  • Bei Kieferfrakturen: weiches Futter / assistierte Fütterung
  • ggf. Halskrause
  • ggf. Boxenruhe
  • Kontakt zu Artgenossen
  • Tierärztliche Nachkontrollen

Die Schmerzmedikation muss nach der tierärztlichen Versorgung intensiv fortgeführt werden. Dies kann über 7 bis 14 Tage erforderlich sein. 

Eine knochengängige Antibiose ist nach einer Operation unerlässlich, um Wundinfektionen vorzubeugen. Parallel empfiehlt sich ein Pro- und Präbiotikum gegeben werden, um zu vermeiden, dass die empfindliche Darmflora durch das Antibiotikum aus dem Gleichgewicht gebracht wird.

Bei Hinterbein-amputierten Kaninchen muss verstärkt auf ein gesundes, schlankes Gewicht geachtet werden, da die Überbelastung des verbleibenden "Nachbarbeins" ansonsten zu einer Pododermatitis (= Entzündung der Fußsohlen) oder der Entwicklung einer Arthrose führen kann. Diese Gefahr besteht auch bei Tieren größerer Rasse, die einfach anatomisch bedingt entsprechend schwerer sind. Weiterhin ist bei Amputationspatienten eventuell Hilfe bei der Ohren- oder Augenpflege notwendig, wenn auf dieser Seite das Hinterbein zum Kratzen bzw. das Vorderbein zum Putzen fehlt.

Nach Kieferfrakturen benötigen Kaninchen weiches Futter, das sie nicht kauen müssen. Oft müssen sie in den ersten Tagen oder sogar Wochen gepäppelt werden. Dies muss mit größer Vorsicht erfolgen, da sowohl die Fixierung als auch das Einführen der Spritze und Gegenwehr durch den Patienten zu einer Verschiebung der Knochenenden bzw. einer erneuten Fraktur führen können. Der Kopf darf auf der Seite, auf der sich die Fraktur befindet, nicht festgehalten werden!  

Ebenso wie für Zahnpatienten gilt auch bei Kieferfrakturen:  Der Futterbrei muss faserreich und kohlenhydratarm sein, um Verdauungsprobleme zu vermeiden. Eingeweichte Pellets mit groben Fasern (z. B.  Cuni Complete Adult ®) eignen sich besonders gut. 

Nach Abheilung sollte unbedingt eine Maulhöhlenkontrolle erfolgen, da sich durch die mehrwöchige Breifütterung Zahnfehlstellungen entwickelt haben können. Auch in den darauf folgenden Monaten sind alle 4-6  Wochen Kontrollen ratsam, denn bereits eine leichte frakturbedingte Verschiebung des Kiefers kann zur Folge haben, dass die Zähne des Patienten in Zukunft regelmäßig eingeschliffen werden müssen.

Lassen Sie sich im Falle einer Gliedmaßenfraktur immer einen Halskragen mit nach Hause geben, den Sie dem Kaninchen anlegen können, falls es an seinem Verband zu manipulieren beginnt. Plastik-Halskrägen sind für die meisten Kaninchen ein absoluter Stressfaktor, da sie damit permanent an Wände und Gegenstände stoßen, sich nicht putzen können und den Kunststoff als sehr beängstigend empfinden. Mitunter stellen sie in der Folge sogar das Fressen ein.

Weitaus besser geeignet sind Stoff-Halskrägen, die dem Patienten ein angenehmeres Tragegefühl vermitteln und sich sanft "mitbiegen", wenn er damit anstößt. Sollte Ihr Tierarzt nur Plastik-Halskrägen vorrätig haben, sollten Sie umgehend einen Stoffkragen bestellen und den Plastikkragen schnellstmöglich dadurch ersetzen. Mit etwas Geschick lassen sich flexible Halskrägen auch selber basteln, z.B. aus einem dicken Stück Teppich oder Fußmatte.

Im Falle einer konservativen Therapie ist eine mehrwöchige Käfigruhe meist unerlässlich, um ein uneingeschränktes, physiologisches Zusammenwachsen der Knochenenden bzw. eine Stabilisierung des luxierten Gelenks zu gewährleisten. Das Kaninchen darf in dieser Zeit weder rennen noch springen!

Der Kontakt zu dem oder den Artgenossen sollte im Anschluss an die tierärztliche Versorgung bestehen bleiben. Zwar ist eine Trennung im Falle einer Käfignruhe unerlässlich, jedoch sollte zumindest Kontakt durchs Gitter ermöglicht werden. Dadurch vermeiden Sie, dass die Tiere sich entfremden und dass der Patient zu sehr vereinsamt.

Bei Innenhaltung und im Sommer ist dies einfach umsetzbar, indem der Patient in einem Käfig oder sehr kleinen umzäunten Bereich untergebracht wird, welcher ins gewohnte Territoriums gestellt wird. Bei Winteraußenhaltung hingegen muss das verletzte Kaninchen zwingend ins Haus geholt werden, da es durch die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten gefährlich unterkühlen könnte. Bei Paarhaltung wird der Artgenosse mit in den Innenbereich geholt und ihm ein Zimmer oder ein Innengehege zur Verfügung gestellt.

Im Falle einer Dreier- oder Vierergruppe sollten alle Artgenossen mit herein geholt werden. Auch bei noch mehr Tieren wird optimalerweise die komplette Gruppe umquartiert, um zu vermeiden, dass nach der Genesung des Patienten eine neuerliche Vergesellschaftung notwendig ist. 

Ist dies nicht möglich, sollten bei einer Fünfer- oder noch größeren Gruppe zwei Artgenossen mit ins Haus geholt werden (=> zwei Tiere, die durchs Käfiggitter Kontakt zum Patienten haben; die übrigen verbleiben in Außenhaltung). Auf die Weise muss keines der Partnertiere auf Körperkontakt verzichten.

Tierärztliche Nachsorgetermine sind von entscheidender Bedeutung, um einen komplikationslosen Heilungsverlauf zu gewährleisten. Dies erfolgt je nach Krankheitsbild z.  B. durch Verbandswechsel (i. d. R. alle 3-4 Tage), Wund- und Röntgenkontrollen (i. d. R. alle 2-4 Wochen). Falls eine chirurgische Frakturversorgung erfolgt ist, muss mittels Röntgenkontrollen auch der richtige Zeitpunkt für die Entfernung der Implantate festgestellt werden.  



Prognose

Knochenoperationen sind vergleichsweise lang andauernde, nicht ganz einfache Eingriffe. Moderne Therapieverfahren, erfahrene Kaninchen-Chirurgen sowie eine sorgfältige Nachsorge sind daher von großer Bedeutung.

Unabhängig davon, ob eine Fraktur rein medikamentös oder operativ behandelt wird, treten Komplikationen beim Kaninchen relativ häufig auf. Dies liegt einerseits an dem insgesamt fragilen Skelettsystem; andererseits auch daran, dass die Tiere sehr schwer ruhig zu halten sind. Auch bei strenger Boxenruhe "schonen" sich Kaninchen oft nicht ausreichend:  Durch Hoppeln, Sprungversuche, Putzen, Kratzen, Klopfen, Männchenmachen usw. wird der verletzte Knochen meist immer wieder belastet.

Bei Kieferfrakturen besteht das Hauptproblem darin, dass der Kiefer unmöglich ruhig gestellt werden kann:  Auch bei strikter Fütterung mit weicher Kost "mümmeln" Kaninchen während ihrer Ruhephasen regelmäßig, versuchen Gegenstände zu benagen, gähnen usw..

Ist eine Kieferfraktur durch eine Zahn-OP entstanden, besteht ein hohes Risiko, dass sich Wundheilungsstörungen entwickeln. Diese wiederum werden mitunter zu spät erkannt, da eine Wundkontrolle nur in tiefer Sedation oder in Narkose möglich ist:  Eine Maulhöhlenkontrolle im Wachzustand mittels Otoskop oder Endoskop motiviert die meisten Kaninchen zu ausgeprägten Kau- und Zungenbewegungen, Schmatzen und einem Beißen auf den Aufsatz. Dies ist im Falle einer Kieferfraktur absolut zu vermeiden!

Bei einem narkotisierten oder ausreichend sedierten Kaninchen mit Kieferfraktur ist eine vorsichtige Maulhöhlenuntersuchung (selbstverständlich ohne Maulspreizer!) möglich. Mit etwas Geschick kann unter Sichtkontrolle eine vorsichtige Wundreinigung erfolgen, z. B. indem mit einer Knopfkanüle Futterreste mechanisch entfernt werden oder der Wundbereich gespült wird.

Die Prognose hängt auch davon ab, wie zeitig mit der Therapie begonnen wird. So können Frakturen innere Blutungen, Infektionen und Schocksymptome verursachen, die nicht nur an sich gefährlich sind, sondern auch das Narkoserisiko maßgeblich erhöhen würden.


Prophylaxe

  • kipp- und einsturzsichere Einrichtung!
  • Abdeckung von Gittern und lückenhaften Ebenen
  • kein Alleinlassen auf hohen Gegenständen (z.B. Tischen)!
  • Umrandung von Ebenen in großer Höhe
  • Hochheben durch Umfassen des Brustkorbs
  • Keine Fixierung an den Hintergliedmaßen!
  • sichere Fixierung beim Tragen
  • nur rutschfeste Böden und Ebenen
  • Fernhaltung gefährlicher Tiere
  • Sichern von Türen etc.
  • umsichtige Fortbewegung


Einrichtungsgegenstände

Achten Sie bei sämtlichen Einrichtungsgegenständen des Kaninchenheims darauf, dass es weder einstürzen noch kippen kann! Instabile Gegenstände sind sowohl für ein darauf- als auch ein darunter oder daneben sitzendes Kaninchen sehr gefährlich.

Vor allem selbstgebaute Höhlen aus Baumbestandteilen, Pflanzsteinen usw. müssen kritisch darauf überprüft werden, ob sie Krafteinwirkungen aus allen Richtungen standhalten.

Gitter (Käfigtür, Heuraufe u.ä.) sowie kleinere Lücken, in denen die Kaninchen mit ihren Pfoten hängen bleiben könnten, müssen unbedingt sicher abgedeckt werden! Hierzu eignen sich je nach Gegenstand gut fixierte Teppichreste, Tücher oder Decken, angeschraubte oder aufgelegte Holzbretter, aufgelegte schwere Steine u.v.m..


Erhöhte Ebenen

Kaninchen dürfen niemals auf erhöhte Ebenen gesetzt und im Anschluss losgelassen werden! Ein unvermittelter Sprung vom Tisch, Fensterbrett oder - beim medizinischen Bad - aus dem Waschbecken ist binnen Bruchteilen einer Sekunde erfolgt und kann das Tier sein Leben kosten!

Besitzen Ihre Kaninchen die Möglichkeit, über "Stufen" auf Ebenen in luftiger Höhe zu gelangen, sollten diese mit einer ausreichend hohen Umrahmung aus Holz, Plastik, Draht oder Plexiglas versehen werden - zwar werden die Tiere im Normalfall auch den Abstieg über die Stufen vornehmen; jedoch ist es immer möglich, dass sie sich vor etwas erschrecken und reflexartig die direkte Flucht antreten. Hierfür kann allein eine unerwartete Bewegung - ob durch den Menschen oder einen Artgenossen - oder ein plötzliches Geräusch ausschlaggebend sein. Gehen Sie daher auf Nummer sicher und bringen Sie überall, wo die Kaninchen nicht mit einem einzigen Sprung hinauf gelangen, eine Schutzvorrichtung an.


Sicheres Hochnehmen und Tragen

Das Hochnehmen darf nicht im Genick erfolgen! Nicht nur können Sie dem Kaninchen damit schmerzhafte Hämatome zufügen und erinnern es an einen zupackenden Räuber, sondern Sie riskieren auch, dass es zu strampeln beginnt und sich irreparable Wirbelsäulenfrakturen zuzieht. Heben Sie das Kaninchen daher immer hoch, indem Sie seinen Brustkorb umfassen.

Zum Tragen setzen Sie das Kaninchen grundsätzlich in Ihre Armbeuge, auf Ihre Hand oder Ihren Unterarm. Dabei lassen Sie die zweite Hand immer auf seinem Rücken ruhen, um es daran zu hindern, nach oben wegzuspringen - auch das ruhigste Tier springt mitunter reflexartig los, wenn es z.B. durch ein unerwartetes Geräusch erschreckt wird.

Grundsätzlich sollten Kaninchen nur auf rutschfesten Böden (Teppich, gut angerauter PVC, Naturboden, Steine, ...) hoppeln dürfen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Tiere - etwa wenn sie sich vor etwas erschrecken - blitzschnell die Flucht ergreifen möchten, dabei unglücklich ausrutschen und sich ernsthaft verletzen.

Besonders gefährlich sind erhöhte Ebenen, die den Kaninchen beim Abspringen keinen ausreichenden Halt bieten. Dies ist z.B. bei den Plastikdächern handelsüblicher Katzentoiletten der Fall. Achten Sie daher zumindest auf eine Platzierung direkt am Boden, da niedrige Sprünge grundsätzlich weniger gefährlich sind. Alternativ können Plastikebenen mit gut fixierten Decken, Tüchern oder Teppichresten abgedeckt werden.


Sensibilisierung der Mitmenschen

Insbesondere bei freier Wohnungshaltung ist von Seiten aller Familienmitglieder (und Besucher) eine umsichtige Fortbewegung wichtig, um keines der Kaninchen versehentlich zu treten. Türen müssen immer vorsichtig geöffnet und geschlossen und bei Durchzug gut befestigt werden. Kindern sollte beigebracht werden, die Kaninchen nicht festzuhalten oder herumzutragen, sondern nur auf freiwilliger Basis am Boden zu streicheln.


Schutz gegen Räuber

Selbstverständlich muss das Kaninchenheim bei Außenhaltung hundertprozentig gegen Raubtiere wie Füchse, Marder, ferner auch Katzen, Hunde und evtl. Greifvögel gesichert werden. Aber auch Wohnungskaninchen sind mitunter gefährdet, wenn sie mit dem Hund der Familie allein gelassen werden.

Das Verhältnis zwischen Kaninchen und Katzen variiert sehr stark: Viele Kaninchen haben Angst vor Katzen und ergreifen die Flucht, was den Jagdinstinkt der Katze wecken kann. Ein psychischer Schock kann sogar zum Tod des Kaninchens führen. Andersherum gibt es Kaninchen, die sich von Katzen überhaupt nicht beeindrucken lassen, was meist wiederum die Katzen verunsichert und sie zum Rückzug veranlasst. Von Katzen, die mit den Kaninchen gut "befreundet" sind, geht in aller Regel keine Gefahr aus.