Körpertemperatur
Frisch operierte Kaninchen müssen engmaschig auf ihre Temperatur überprüft und warmgehalten werden: Eine Narkose bedeutet immer eine Kreislaufbelastung und beeinträchtigt die Fähigkeit des Körpers, seine Temperatur zu regulieren. Dies führt häufig dazu, dass die Tiere erst auskühlen, bei Wärmezufuhr jedoch schnell überhitzen und nach Entfernung der Wärmequelle erneut unterkühlen; je länger die Narkose, je schwerer der Eingriff und je angeschlagener der Patient, desto instabiler ist sein Kreislauf nach dem Erwachen. Eine sorgfältige Überwachung ist daher von großer Bedeutung.
Ein verantwortungsbewusster Tierarzt entlässt seinen Patienten erst, wenn seine Temperatur wieder stabil ist. Im Falle einer Gas- oder vollantagonisierbaren Triple-Narkose (s.o.) sind die Tiere in der Regel sehr schnell nach Verabreichung der Gegenmittel wieder wach und stabil.
Ein Kaninchen sollte immer in einer ruhigen, warmen, komfortablen Umgebung aus der Narkose erwachen. Während der Aufwachphase reagieren die Tiere besonders sensibel auf äußere Reize wie beispielsweise Geräusche. Angst und Stress während des Erwachens oder in den Stunden danach sind für den bereits geschwächten Organismus eine erhebliche Mehrbelastung und dementsprechend gefährlich.
Der Aufwachraum sollte daher sehr ruhig sein, die Aufwachbox warm und gut gepolstert und sich nicht im selben Raum wie Hunde, Katzen oder andere natürliche Fressfeinde befinden. Neben ihrem Partnertier wachen Kaninchen übrigens deutlich entspannter auf. Diese Vorgehensweise ist aber oft nicht möglich, da das operierte Tier meist Wärme benötigt; die dem Partnertier hingegen unangenehm wäre.
Kreislauf
Grundsätzlich dürfen aus der Narkose erwachte Tiere erst dann den Heimweg antreten, wenn sie wieder von alleine schlucken, aufstehen, sitzen und sich fortbewegen können und ihr Kreislauf sowie die Körpertemperatur stabil sind.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist eine strenge tierärztliche Überwachung der Aufwachphase unbedingt notwendig, um beim Auftreten von Komplikationen sofort eingreifen zu können; dazu gehört neben der Unterkühlung auch ein generelles Kreislaufversagen.
Kaninchen, denen die Narkose oder der Eingriff stark zugesetzt hat, müssen auch über Nacht noch gut beobachtet werden und sollten intravenös infundiert, d.h. an den Tropf gehängt werden. Ist dies in der Praxis Ihrer Wahl nicht möglich, bleibt Ihnen lediglich, Temperatur und Futteraufnahme bei sich zu Hause mindestens alle zwei Stunden zu kontrollieren und warme, subkutane Infusionen zu verabreichen (d.h. Infusionen unter die Haut zu spritzen - der Tierarzt macht es Ihnen vor). Diese ersetzen aber keinesfalls die intravenösen Infusionen, da sie im Falle einer bereits vorhandenen Kreislaufschwäche nicht vom Körper resorbiert werden können.
"Offenlassen" der Narbe
Am komfortabelsten für den Patienten ist es, wenn die vernähte Wunde komplett "unbedeckt" bleibt, d.h. weder ein Pflaster, ein Body noch eine Halskrause zum Einsatz kommt.
Um diese Methode umzusetzen, ist es notwendig, dass der Tierarzt eine sogenannte Intrakutannaht anlegt - d.h. die Wunde wird so vernäht, dass die Fäden in ihrem Innern "versteckt" liegen und von außen nicht erreichbar sind. Anderenfalls stören sich die Tiere i.d.R. erheblich an dem "Fremdkörper" und ziehen sich die Fäden selber - wodurch die Gefahr besteht, dass die Wunde wieder eröffnet wird und sich infiziert.
Für Intrakutannähe wird resorbierbares Nahtmaterial verwendet, d.h. die Fäden müssen nicht nach einer bestimmten Zeit gezogen werden, sondern lösen sich von selber auf.
Bodys
Tiere, die sich die Wunde belecken, beknabbern oder versuchen, Fäden herauszuzupfen, sollten einen Body erhalten. Da dies bei den meisten Kaninchen der Fall ist, wird der Body in aller Regel schon vorsorglich angezogen, während das Tier noch schläft.
Einen Body erhalten Sie beim Tierarzt, im Internet oder Sie basteln ihn selber, indem Sie z.B. eine große Socke unten mit vier kleinen Löchern für die Beine und hinten mit einem großen fünften Loch für den Hinterleib versehen. Letzteres muss groß genug sein, dass das Kaninchen problemlos Kot und Urin absetzen kann. Hier hilft es auch, die Socke im entsprechenden Bereich von hinten rund einzuschneiden.
Der Body sollte eng anliegen. Er muss so fest sitzen, dass das Kaninchen sich nicht daraus befreien kann. Selbstverständlich darf es jedoch nicht eingeschnürt werden. Sie sollten problemlos einen Finger zwischen Tier und Body schieben können.
Bodys sind bei Kaninchen keineswegs beliebt, aber in den oben genannten Fällen unerlässlich, um eine Eröffnung oder Infektion der frisch vernähten Wunde zu vermeiden.
Halskrausen?
Halskrausen werden von Kaninchen sehr schlecht toleriert und sollten nur im äußersten Notfall, d.h. wenn der Body zum Schutz nicht ausreichen sollte, Anwendung finden. Leider bieten die meisten Tierarztpraxen bisher nur die klassischen starren Plastik-Halskrausen an, die für Kaninchen eine Tortur sind. Meist stoßen die Tiere damit hoffnungslos an Wände und Gegenstände und kommen kaum zur Ruhe, oft wird sogar das Fressen eingestellt.
Weit besser geeignet sind weiche, biegsame Halskrausen aus Stoff. Stößt das Kaninchen damit gegen ein Hindernis, werden sie einfach eingedrückt.
Bietet Ihr Tierarzt keine Halskrause aus Stoff an, können Sie sie im Internet bestellen - wenn möglich, rechtzeitig vor der OP! Zur Not können Sie mit einem Stück festem Teppich oder einer Fußmatte improvisieren, indem Sie ein rundes Stück herausschneiden, in der Mitte ein Loch für den Kopf ausschneiden und um dieses herum mehrere kleine Löcher ausstanzen, durch die Sie z.B. ein Halstuch oder einen weichen Verband fädeln. Dieser wird anschließend im Nacken des Kaninchens so fest zusammengeknotet, dass noch gut ein Finger zwischen Kaninchen und Band passt.
Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass das Kaninchen mit seiner Halskrause problemlos fressen und trinken kann. Gggf. muss sie entsprechend eingeschnitten werden. Alle Gegenstände, an denen das Tier potenziell mit der Halskrause hängen bleiben könnte, müssen vorübergehend entfernt werden!
Wundpflege
Während der ersten Tage muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Wunde trocken und sauber bleibt; sollte sie mit Feuchtigkeit, Nässe oder Hinterlassenschaften in Kontakt kommen, bestände die Gefahr einer Wundinfektion.
Im Freien lebende Tiere sollten vorübergehend ins Haus "umgesiedelt” werden - auch wegen der Gefahr eines Fliegenmadenbefalls! Dies ist immer zusammen mit mindestens einem Partnertier, besser der ganzen Gruppe, erforderlich. Weiterhin sind besondere Hygienemaßnahmen unerlässlich, um zu verhindern, dass das Kaninchen sich z.B. auf urinverschmutzte Streu legt.
Schmerztherapie
Falls der Tierarzt nicht von sich aus ein Schmerzmittel sowie ggf. ein Antibiotikum verordnet, bitten Sie ihn explizit darum: Schmerzen belasten das Kaninchen nicht nur psychisch, sondern führen mitunter zur Futterverweigerung, was zusätzliche Komplikationen zur Folge hätte und den Heilungsverlauf verzögern würde. Falls Ihr Tier anfangs nicht von selbst fressen möchte, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als es vorübergehend zwangszufüttern.
Antibiose
Ein Antibiotikum ist bei OPs mit Infektionsgefahr und bei chronisch kranken / geschwächten Tieren notwendig. Sterile Routine-Eingriffe wie z.B. Kastrationen hingegen erfordern grundsätzlich keine antibiotische Behandlung.
Begleitend sollte ein Pro- und Präbiotikum gegeben werden, um die Darmflora stabil zu halten.
Stressvermeidung
Stress kann den Genesungsprozess erheblich verzögern. Gewisse Stresssituationen wie die Eingabe von Medikamenten, die Kontrolle der Wunde, Fiebermessen, Wiegen, Zwangsfüttern und tierärztliche Nachsorgetermine lassen sich leider oft nicht vermeiden. Versuchen Sie dennoch, das Kaninchen so stressarm wie möglich unterzubringen und zu versorgen: "Aufdringliche" Partnertiere sollten separiert werden, der "Lieblings-Artgenosse" hingegen sollte immer bei dem Patienten bleiben.
Müssen mehrere Medikamente verabreicht werden, sollten diese, soweit möglich, zeitgleich eingegeben werden. Auch sonstige Maßnahmen sollten möglichst mit der Medikamenteneingabe kombiniert werden, damit das Tier nicht mehrfach eingefangen werden muss.
Fütterung
Kaninchen, die nicht von selber fressen, müssen zwangsernährt werden. Die Fütterungen müssen mehrmals am Tag und auch in der Nacht zuverlässig erfolgen. Bei einer adäquaten Schmerzabdeckung fangen Kaninchen aber in aller Regel recht schnell wieder an zu fressen.
Nach Zahn-OPs haben Kaninchen oft Beschwerden beim Abbeißen und vor allem Kauen. Diesen Tieren sollte ein geeigneter, faserhaltiger Futterbrei angeboten werden, z. B. eingeweichte Pellets oder pürriertes Grünfutter. Je nach Eingriff genügt es oft auch, das Futter zu raspeln.
Gewichtskontrolle
Je nachdem, wie gut das Kaninchen nach dem Eingriff wieder von selber frisst, sollte es ein- bis zweimal täglich gewogen werden. Im Falle eines Gewichtsverlusts muss kalorienhaltige Kost angeboten oder zusätzlich zur eigenständige Futteraufnahme mit hochkalorischem Brei gepäppelt werden.
Ein starker Gewichtsverlust binnen kurzer Zeit ist unbedingt zu vermeiden - vor allem bei übergewichtigen Tieren. Anderenfalls droht ein Leberversagen!
Komplikationen
Jede Operation kann mit Komplikationen einhergehen. Haben Sie den Eindruck, dass es Ihrem Kaninchen binnen ein bis zwei Tagen nicht besser oder gar schlechter geht, zögern Sie nicht, Ihren Tierarzt zurate zu ziehen.
Werfen Sie zweimal täglich einen vorsichtigen Blick auf den OP-Bereich, um etwaige Blutungen, Schwellungen und anderweitige Auffälligkeiten rechtzeitig zu erkennen.
Es empfiehlt sich, während der ersten Tage auch die Temperatur des Tieres ein- bis zweimal täglich zu messen: Fieber ist ein Hinweis darauf, dass sich die Wunde entzündet hat, Untertemperatur deutet auf eine Kreislaufschwäche hin.
Auch deutliche Blutungen oder Wundschwellungen sind als Alarmzeichen zu betrachten! Hier sind in aller Regel eine umgehende Wundversorgung und evtl. eine erweiterte antibiotische Therapie notwendig.
Kontrolltermin
Verläuft alles wie beabsichtigt, ist - je nach Art des Eingriffs - spätestens zehn Tage nach der Operation ein Kontrolltermin angesagt, um eine komplikationslose Wundheilung sicherzustellen und ggf. die Fäden zu ziehen. Wird letzteres versäumt, wachsen die Fäden in die Haut ein und führen dort zu Entzündungen. Je nach Eingriff wird der Tierarzt seinen Patienten aber mitunter schon nach 1-2 Tagen und evtl. auch mehrmals nachkontrollieren wollen.