Einführung: Flüchtet Ihr Kaninchen, sobald Sie in sein Blickfeld geraten, müssen Sie ihm als erstes abgewöhnen, sich vor einem weit entfernten Menschen zu fürchten. Zu diesem Zweck nähern Sie sich bei jeder Fütterung langsam und sprechen mit möglichst leiser, sanfter, langsamer Stimme. Was Sie sagen, spielt keine Rolle; entscheidend sind ein ruhiger Tonfall, ein langsams Sprechtempo und die Dehnung der Worte.
Bei Innenhaltung mit einer insgesamt sehr geringen Geräuschkulisse können Sie den Kaninchen auch ruhige Musik oder "Natur-Geräusche" laufen lassen, während Sie sprechen, damit Ihre Stimme nicht zu markant ist. "Absolute Stille" kann generell sehr verunsichernd auf Kaninchen wirken.
Verteilen Sie das Futter im Kaninchenrevier, u.a. aus – in der Nähe des Unterschlupfes, in den das Tier sich zurückgezogen hat; aber weit genug vom Eingang entfernt, damit es sich zumindest herausrecken muss, um an einen Leckerbissen zu gelangen.Entfernen Sie sich dann langsam und setzen Sie sich möglichst weit entfernt auf den Boden. Anschließend sollten Sie sich möglichst wenig und langsam bewegen, jedoch per Lautäußerung zu erkennen geben, dass Sie da sind.
Wichtig ist, dass Sie solange sitzen bleiben, bis das Kaninchen sich herauswagt – ansonsten lernt es schnell, dass Sie ohnehin verschwinden, wenn es lange genug wartet, und wird diese Erkenntnis künftig nutzen.
Traut das Kaninchen sich schließlich aus seinem Unterschlupf, muss es von Anfang an begreifen, dass es normal und ungefährlich ist, wenn Sie sich in der Nähe aufhalten. Sprechen Sie also weiter, als wäre nichts gestehen, und starren Sie nicht in seine Richtung. Bleiben Sie ganz still sitzen, da es jede Bewegung als Drohsignal auffassen könnte.
Es ist wahrscheinlich, dass das Kaninchen vorsichtig herauskommt, sich ein Stück Futter schnappt und damit wieder im Unterschlupf verschwindet. Je nachdem, wie lange die Prozedur gedauert hat, sollte die Übung direkt fortgesetzt oder erst einmal beendet werden: Hat das Kaninchen lange gebraucht, um sich zu dem “Schritt vor die Tür” zu überwinden, ziehen Sie sich langsam zurück, sobald es mit dem Futter wieder verschwunden ist. Damit stellen Sie sicher, es nicht zu überfordern.
Hat das Tier hingegen relativ schnell Mut gefasst, ist es wahrscheinlich, dass es sich auch noch auf ein zweites Futterstückchen “einlässt”; in diesem Fall scheint es nicht sonderlich unter Stress zu stehen, und Sie dürfen bedenkenlos noch eine Zeitlang sitzen bleiben. Entfernen Sie sich aber grundsätzlich nur, während sich das Kaninchen gerade im Häuschen befindet, um es nicht zu erschrecken.
Festigung: Beginnt das Kaninchen außerhalb seines Unterschlupfes zu fressen, scheint es sich nicht mehr an Ihrer Anwesenheit zu stören. Dann ist es an der Zeit, es allmählich an Bewegungen und Blickkontakt zu gewöhnen: Schauen Sie hin und wieder zu ihm hinüber, anfangs nur einen kurzen Moment lang, dann etwas länger. Blinzeln Sie dabei auffällig, dies wird von Tieren grundsätzlich als Beschwichtigungssignal interpretiert.
Kombinieren Sie die Augen- allmählich mit langsamen Kopfbewegungen. Halten Sie inne und senken Sie den Blick oder schließen Sie die Augen, sowie das Kaninchen erste Anzeichen von Nervosität (Innehalten beim Fressen, Erstarren, Trommeln, Ohrenspitzen, Männchenmachen, Augenweiten) zeigt. Hat es sich beruhigt, warten Sie einige Sekunden, ehe Sie fortfahren.
Die Länge der Trainingseinheit richtet sich danach, wie schnell das Kaninchen “dazulernt”: Empfindet es Ihren Blick und Ihre Bewegungen schnell als nicht mehr beachtenswert, können Sie der Einprägung halber ruhig über einen längeren Zeitraum hinweg sitzen bleiben und fortfahren. Ist es hingegen nach fünf Minuten noch immer sichtlich nervös, sollten Sie es fürs Erste dabei belassen.
Versuchen Sie, sich so unauffällig wie möglich zurückzuziehen; d.h. mit sehr langsamen Bewegungen, ohne in Richtung Kaninchen zu schauen; bestenfalls ohne sich aufzurichten, da dies auf ein scheues Kaninchen meist bedrohlich wirkt.Wiederholen Sie die Übung je nach Stresssituation des Kaninchens zwei- bis maximal dreimal täglich.
Steigerung: Das Kaninchen akzeptiert jetzt die Anwesenheit von Menschen, solange diese weit genug entfernt sind und auf dem Boden sitzen – also “klein” wirken.
Die Angst vor aufrecht stehenden Menschen nehmen Sie dem Tier, indem Sie Phase 1 mit einer kleinen Änderung versehen: Wenn Sie das nächste Mal darauf warten, dass Ihr Kaninchen sich aus dem Unterschlupf traut, setzen Sie sich dabei auf einen Stuhl. Verhalten Sie sich ansonsten wie gewohnt.
Zeigt das Kaninchen Anzeichen der Entspannung (s.o.), steigern Sie den “Schwierigkeitsgrad”, indem Sie sich ab dem nächsten Mal hinstellen. Der letzte Teil der Übung besteht darin, in der Ferne parallel zum Kaninchen auf- und ablaufen zu können, ohne dass es nervös reagiert.