Wann ist eine Therapie erforderlich?
Entgegen nahezu "religiös" verbreiteter Mythen müssen Kokzidien nicht immer akribisch ausgemerzt werden. Kaninchen, die lange Zeit Kokzidien in sich tragen, ohne Symptome zu zeigen, haben bereits Resistenzen entwickelt. Sie tragen durch die Kokzidien keinen Schaden davon und auch der Impfschutz wird nicht beeinträchtigt.
Werden bei ausgewachsenen, asymptomatischen Tieren als Zufallsbefund vereinzelt Kokzidien nachgewiesen, ist eine Therapie möglich, aber nicht zwingend notwendig. Eine Therapie hätte den Vorteil, dass auch in Zukunft keine Risiken von den Parasiten ausgehen (dies wäre z. B. bei einer Immunschwäche oder beim Einzug eines neuen Kaninchens der Fall).
Gerade bei einer artgerechten Außenhaltung mit Naturboden oder Wiesenfreilauf wäre die Therapie jedoch mit einem kompletten Abflammen / Abtragen des Bodens verbunden, was - in der Regel - in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.
Anders sieht es aus, wenn ein stärkerer Befall nachgewiesen wird, wenn junge oder immunschwache Tiere mit im Bestand leben oder ein Kaninchen Verdauungssymptome zeigt. Auch, wenn eine Vergesellschaftung bevorsteht und eines der Kaninchen Kokzidien in sich trägt, sollten diese zunächst behandelt werden - denn das zukünftige Partnertier hat höchstwahrscheinlich noch keine entsprechenden Resistenzen gegen Kokzidien bzw. diesen spezifischen Kokzidienstamm entwickelt.
In diesen Fällen gilt ebenfalls: Die Kokzidien müssen nicht zu 100 % abgetötet werden, falls dies schwer umsetzbar ist (freie Wohnungshaltung, sehr große Gartenfläche, Außengehege mit Naturboden usw.). Das symptomatische Kaninchen selbst sollte jedoch behandelt werden und die umsetzbaren Hygienemaßnahmen (tägliche Entfernung von Kötteln, Trennung von Futter und Ausscheidungen) sollten in dieser Zeit ebenfalls erfolgen, um die Erregerdichte vorübergehend herunterzufahren.
Das Ziel besteht darin, dass der Organismus die Kokzidien anschließend selbstständig in Schach halten kann und eine Resistenz entwickelt.
Strengere Regeln gelten, wenn ein Kokzidien-Trägertier vermittelt werden soll. Vermittlungstiere sollten in jedem Fall kokzidienfrei sein. Hier ist also eine Behandlung der Tiere und der Umgebung erforderlich. Grund: Durch den Umzugs- und Trennungsstress kann es sehr leicht zu einem Krankheitsausbruch, also einer klinischen Kokzidiose, kommen. Eine solche kann für Jungtiere lebensgefährlich sein!
Auch ausgewachsene Kaninchen, die abgegeben werden, sollten selbstverständlich immer kokzidienfrei sein. Anderenfalls schleppen sie dem neuen Besitzer Parasiten ein, gegen den seine Tiere noch keine Resistenzen entwickelt haben.
Mitunter ist es also erforderlich, Vermittlungstiere in den zwei Wochen vor der Abgabe in einem gesonderten Bereich unterzubringen, der problemlos behandelt werden kann (s. u.).
Therapie bei leichten Symptomen
Der wichtigste Therapiebestandteil bei einem symptomatischen Kaninchen besteht in der Verabreichung eines Medikamentes, welches die Kokzidien abtötet. Bei einem nur leichten Befall, der bisher keine oder nur milde Symptome auslöst und das Allgemeinbefinden noch nicht beeinträchtigt, kann zunächst versucht werden, auf die "Chemiekeule" zu verzichten und stattdessen eine Behandlung mit Oregano zu starten.
Die Wirksamkeit von Oregano gegen Kokzidien ist durch Studien belegt. Oregano kann in großen Mengen frisch gefüttert oder als Futteröl für Haustiere gekauft werden. Das Hauptproblem besteht darin, dass keine offiziellen Dosierungsangaben existieren.
Werden in einer Routine-Kotprobe zufällig einzelne Kokzidien entdeckt oder offenbart sich ein milder Befall bei einem Kaninchen, das nur gelegentlich leichte Symptome zeigt, können das betroffene Kaninchen sowie seine Gruppenmitglieder über ein bis zwei Wochen täglich Oreganoöl erhalten. Im Gegensatz zu Kokzidioziden ist es völlig harmlos und frei von Nebenwirkungen, verursacht keine Resistenzen von Seiten der Erreger und darüber hinaus schmeckt es vielen Kaninchen sehr gut.
Oreganoöl eignet sich auch hervorragend als "Wurmkur" vor Impfungen, um die ganze Gruppe schonend kokzidienfrei zu bekommen, sodass sie anschließend einen optimalen Impfschutz aufbauen können. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Impfschutz bei asymptomatischen Kaninchen mit einem geringgradigen Parasitenbefall ohnehin nicht beeinträchtigt ist.
Therapie bei stärkeren Symptomen
In therapiebedürftigen Fällen (s. o.) wird ein wirksames Kokzidiozid verabreicht, z. B. ein Triazinderivat. Meist angewandt wird Toltrazuril 5%, welches allerdings bei vielen Kaninchen zu Inappetenz und Unwohlsein führt. Es wird je nach Ausmaß des Befalls und der Symptome an zwei aufeinanderfolgenden Tagen oder an Tag 1 und Tag 6 oder an Tag 1, 2, 8 und 9 gegeben.
Achtung: Toltrazuril 2,5 % ist schleimhautreizend! Es darf nur verdünnt (mit mindestens der gleichen Menge Wasser) eingegeben werden. Sicherer ist die Anwendung von Toltrazuril 5 %, welches nicht verdünnt werden muss.
Eine besser als Toltrazuril verträglicher, aber potenziell resistenzbildender Wirkstoff ist Diclazuril. Es wird an einem, zwei oder drei aufeinanderfolgenden Tagen gegeben.
Bei massiven Symptomen (starke Aufgasung, hochgradiger Durchfall, Kreislaufschwäche, Austrocknung) sollte zusätzlich ein Antibiotikum gegen bakterielle Sekundärinfektionen gegeben werden.
Entgegen der landläufigen Meinung sind nicht zwangsläufig alle Tiere eines Bestandes infiziert. Im Gegenteil kommt es häufig vor, dass nur das Kaninchen, welches Symptome aufweist, tatsächlich kokzidien-positiv ist. Kaninchen ohne positiven Befund müssen daher nicht zwingend therapiert werden. Ebenfalls nicht mitbehandelt werden müssen symptomlose Kaninchen, in deren Kot nur vereinzelt Kokzidien nachweisbar sind (s. o.).
Wird im Kot neben den Kokzidien ein starker Hefebefall festgestellt, empfiehlt sich auch dahingehend eine Behandlung. Diese erfolgt mit dem Wirkstoff Nystatin. Der Heilungsprozess wird dadurch gefördert und die Symptome klingen schneller ab. Wählen Sie zur Bekämpfung der Hefen vorzugsweise ein zuckerfreies Medikament - denn Zucker ist die Nahrungsquelle der Hefen, was die Therapie erschweren kann.
Weiterhin empfehlenswert, besonders im Falle einer Antibiotika-Behandlung, ist die Gabe eines Pro- und Präbiotikums , um die Darmflora zu schützen und zu unterstützen.
Ein zentral wirksames Schmerzmittel wie Metamizol ist bei Inappetenz, Aufgasungen und / oder starkem Durchfall erforderlich. Bei sehr starken Aufgasungen kann sogar ein Opioid, z. B. Buprenorphin, angezeigt sein.
Ein Schleimhautschutz ist bei starkem Durchfall ebenfalls unbedingt empfehlenswert, um den Heilungsprozess der Darmschleimhäute zu unterstützen. Gut geeignet ist Bariumsulfat, das mehrmals täglich in kleinen Mengen eingegeben werden darf. Wird das Kaninchen gepäppelt, können Sie es unter den Päppelbrei mischen.
Bariumsulfat hat außerdem den Vorteil, dass es toxinbindend wirkt. Achtung: Es sollte immer mindestens 30 Minuten zeitversetzt zu allen Medikamenten, die resorbiert werden müssen, eingegeben werden (z. B. Antibiotika und Schmerzmittel).
Infusionen sind bei stark geschwächten Kaninchen nötig, um einerseits den Kreislauf zu stabilisieren und andererseits den durchfallbedingt hohen Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Im Falle eines Kreislaufschocks müssen sie zunächst intravenös verabreicht werden.
Inappetente Kaninchen müssen zwangsgefüttert werden. Ganz wichtig ist hierbei, dass der Päppelbrei äußerst schonend und verträglich ist, damit der ohnehin bereits angeschlagene Darm nicht zusätzlich belastet wird. Hierzu muss der Päppelbrei reichlich strukturierte Rohfaser erhalten - keinesfalls sollte er darmreizende Inhaltsstoffe wie Laktose oder Zucker beinhalten! Auch Gluten ist eher kontraproduktiv.
Alle wichtigen Informationen zu diesem Thema finden Sie her:
Fütterung
Durch das Streichen kohlenhydrathaltiger Futtermittel wie Getreide, Obst, aber auch Wurzel- und Knollengemüse, wird den Kokzidien der Nährboden entzogen. Auch allgemein völlig ungeeignete Futtermittel Fertigmischfutter, Pellets, Brot und handelsübliche Leckerlis sind ggf umgehend abzusetzen.
Es sollten die allgemeinen Futterregeln für Durchfallpatienten berücksichtigt werden. Ausführliche Ratschläge rund ums Thema Durchfall-Diät finden Sie unter folgendem Link (klicken Sie unter "Therapie" auf den "Weiterlesen"-Button):
Hygienemaßnahmen & Umgebungsbehandlung
Wie bereits erläutert, ist es nicht immer möglich und sinnvoll, sämtliche Kokzidien komplett auszumerzen (z. B. bei freier Wohnungshaltung oder Außenhaltung auf Gras- / Erdboden). Entscheidend ist es dann, die Erregerdichte deutlich zu vermindern und dadurch den Infektionsdruck maßgeblich zu senken.
Kaninchen, die zu einem neuen Besitzer ziehen sollen, sollten hingegen immer kokzidienfrei abgegeben werden.
Gewöhnliche Desinfektionsmittel sind gegen Kokzidien wirkungslos, stärkere "Chemiekeulen" (z.B. Kresole) hingegen giftig für die Kaninchen. Die einfachste und ungefährlichste Methode, die Kokzidien abzutöten, sind kochendes Wasser, Dampfreiniger oder Abflammgeräte. Boden, Wände / Gitter und Einrichtungsgegenstände können hierdurch effektiv von den Kokzidien befreit werden.
Tägliche Säuberungsmaßnahmen sind im Rahmen einer Kokzidienbehandlung von großer Bedeutung, um ihren Entwicklungszyklus zu durchbrechen - d.h. ausgeschiedene Oozysten zu beseitigen, ehe sie ihr infektiöses Stadium erreicht haben und wieder aufgenommen werden. Köttel sollten während der Behandlung täglich sorgfältig entfernt werden und Toilettenecken und -schalen gereinigt und im Anschluss mit kochendem Wasser desinfiziert werden. Durch diese Maßnahmen wird die Wiederaufnahme infektiöser Oozysten auf ein Minimum reduziert.
Kontaktvermeidung zwischen Futtermitteln und Kot
Auch die Kontaktvermeidung zwischen Futtermitteln und Kot hält die Wiederaufnahme von Oozysten in Grenzen. Bieten Sie Futter und Wasser zu diesem Zweck so an, dass sie möglichst nicht mit den Ausscheidungen der Tiere in Berührung kommen. Dies ist leichter gesagt als getan, da auch Futter, das aus einer Raufe gezogen wird, anschließend meist mit dem Boden in Berührung kommt. Dennoch ist diese Futtermethode weitaus hygienischer, als das Futter direkt am Boden anzubieten, wo es zwangsläufig zertrampelt und verschmutzt wird.
Neben der konsequenten Unterbringung des Grün- und Raufutters in Raufen empfiehlt es sich, den Trinknapf etwas erhöht zu plazieren (z.B. auf einem Ziegelstein) oder einen Hängenapf zu verwenden.
10-14 Tage nach Beendigung der Therapie sollte eine zweite Sammelkotprobe untersucht werden, um den Therapieerfolg zu überprüfen.