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Wie wichtig ist Heu für Kaninchen?

Grundfutter Heu?

Mit "Raufutter" ist in der Regel Heu gemeint – also getrocknete Wiese. Dies ist kein Wunder, soll es den Kaninchen schließlich jederzeit zur freien Verfügung stehen und wurde es sogar lange Zeit als Grundfutter für Kaninchen betrachtet; denn in Zeiten, zu denen Kaninchen in erster Linie mit Trockenfutter gefüttert wurden, waren sie außerdem auf einen Rohfaserlieferanten angewiesen, um zumindest eine Zeitlang gesund zu bleiben. Hierfür diente in der Regel das Heu als bequeme (aber suboptimale) Alternative zum frischen Grünfutter. Daraus wurde wiederum geschlussfolgert, dass Heu für Kaninchen überlebenswichtig sei - Grünfutter als ebenso hervorragender Rohfaserlieferant wurde dabei jedoch komplett außer Acht gelassen. 

Bei einer naturnahen Ernährung, d.h. einem unbegrenzten Grünfutterangebot, hat Heu einen weitaus geringeren Stellenwert.

Viele Kaninchen, die ständig Grünfutter zur Verfügung haben, fressen (fast) überhaupt kein Heu. Da Heu nichts anderes ist als getrocknetes Grünfutter, d.h. Wiesenpflanzen, denen parallel zum Trocknungsvorgang eine Reihe wichtiger Nährstoffe entzogen wurde, ist dieses Verhalten logischerweise weder “unnormal” noch ungesund; frisches Grün, das natürliche Grundfutter der Kaninchen, ist durch kein Futtermittel (vor allem kein getrocknetes) zu ersetzen.

Generell sollte nie Heu, sondern immer Grünfutter die Grundnahrung der Kaninchen darstellen!

Nichtsdestotrotz stellt Heu ergänzend zum Grünfutter ein sehr geeignetes Nahrungsmittel dar: Es wird nicht schlecht, sodass es sehr gut gelagert und den Kaninchen rund um die Uhr angeboten werden kann. Auf diese Weise steht ihnen auch dann ein gut bekömmliches Futtermittel zur Verfügung, wenn einmal kein genießbares Grünfutter mehr vorhanden sein sollte (z.B. wenn es im Laufe des Tages / der Nacht verwelkt, gefriert oder vollständig gefressen wird). Dies ist sehr wichtig, da der sogenannte Stopfdarm der Kaninchen auf ein permanentes Futterangebot angewiesen ist.

Warum ist Heu auch bei reichlicher Grünfütterung wichtig?

In aller Regel haben wir nicht die Möglichkeit, unseren Kaninchen rund um die Uhr Zugang zu einer üppigen Wiese zu verschaffen. Die Tiere sind also darauf angewiesen, mindestens zweimal täglich mit geerntetem oder gekauftem Grünfutter versorgt zu werden. Dieses beginnt jedoch relativ bald zu welken und wird nur noch ungern gefressen. Dann benötigen die Kaninchen eine attraktive Alternative – sonst nehmen sie mitunter nicht genügend Nahrung auf und es kommt zu einer Darmträgheit.

Ein weiterer Punkt ist, dass Kaninchen nie in die Versuchung kommen sollten ungenießbares Grünfutter zu verzehren, weil sie “sonst nichts finden”. Dazu gehören verunreinigte, zertrampelte, von Schneckenspuren überzogene, gefrorene oder wieder aufgetaute Nahrungsmittel.

Als "Notnahrung" muss hochwertiges Heu daher rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

Weshalb ist gerade Heu eine geeignete "Notnahrung"? Zum einen lassen sich Heuhalme - ebenso wie frisches Gras - dank ihres hohen Rohfasergehalts nur durch sehr ausgiebiges Mahlen zerkleinern und sorgen damit für einen langen, mahlenden Kauvorgang; d.h. einen intensiven Zahnabrieb. Zum anderen ist Rohfaser für eine geregelte Verdauung von großer Bedeutung, da erstens ihre groben, unverdaulichen Bestandteile zügig wieder ausgescheden werden und hierdurch den Darm in Schwung halten; und zweitens die feineren Bestandteile den überlebenswichtigen Blinddarmbakterien eine Nahrungsgrundlage liefern.

Alleinfuttermittel Heu?

Immer wieder wird die Frage gestellt, ob man seine Kaninchen auch ohne frisches Grünfutter ernähren könne – ausschließlich mit Heu und Wasser. Hiervon ist dringend abzuraten!

Je nach Trocknungsart (Boden-, Reuter-, Unterdach-, Kalt-, Warm- oder Heißlufttrocknung) kann Heu einen Großteil seiner Nährstoffe verlieren. Grundsätzlich gilt: Je langsamer es trocknet, desto nährstoffärmer ist es am Ende.

Einzige Ausnahme ist das Vitamin D, welches in abgestorbenen Pflanzenteilen (auch Laub) unter Sonneneinstrahlung entsteht (Umwandlung von Ergosterol in Vitamin D2 = Ergocalciferol). Je länger Heu also in der Sonne trocknet, desto mehr Vitamin D produziert es, während frisches Wiesengrün kaum Vitamin D enthält. Dies ist allerdings nur für Wohnungskaninchen relevant, da Kaninchen unter direktem UVB-Licht selbstständig Vitamin D (Umwandlung von Cholesterin in Vitamin D3 = Cholecalciferol) produzieren können.

Kritische Nährstoffe im Heu

  • Vitamin D: keine ausreichende Bildung bei schneller Trocknung (Kalt- / Warm- / Heißlufttrocknung) oder Trocknung außerhalb der Sonne (Unterdachtrocknung) => bei reinen Wohnungskaninchen Mängel möglich (Osteomalazie und Zahnerkrankungen durch gestörte Kalziumeinlagerung in Skelett und Zähne); reichliche Bildung bei Boden- und Reutertrocknung

  • Provitamin A (Carotin):  hohe Atmungs- und Fermentationsverluste durch langsame Trocknung und Lagerung (Boden-, Reuter-, Unterdachtrocknung), keine Eigensythese durch das Kaninchen=> Mängel möglich (=> Darmentzündungen, Kalzinosen, Schleimhaut- und Knochenveränderungen, Sehstörungen, Immunschwäche, ...); geringe Verluste bei Warm- / kalt- / Heißlufttrocknung

  • Vitamin E:  hohe Verluste durch langsame Trocknung und Lagerung (Boden-, Reuter-, Unterdachtrocknung) durch Reaktion mit Luftsauerstoff, keine Eigensythese durch das Kaninchen => Mängel möglich (=> Funktion als Radikalfänger nicht möglich => Skelett- und Herzmuskelerkrankungen, innere Blutungen, Immunschwäche, gestörte Fettsäurenresorption); geringe Verluste bei Kalt- / Warm- / Heißlufttrocknung

  • Proteine: unzureichender Gehalt bei reinem Grasheu sowie durch „Bröckelverluste“ v. a. bei Bodentrocknung. Teilweise Eigensynthese im Blinddarm => vorübergehende Kompensierung, aber Langzeitmängel möglich; geringere Proteinverluste finden bei Kalt-/ Warm-/ Heißlufttrocknung statt

Nährstoffdefizite lassen sich kompensieren, indem eine Mischung aus Heusorten, die erstens unterschiedlich getrocknet wurden und zweitens verschieden zusammengesetzt sind, angeboten wird. Auf die Weise wäre es theoretisch tatsächlich möglich, das Kaninchen mit reiner Heufütterung mit allen notwendigen Nährstoffen zu versorgen.

Was allerdings immer bestehen bleibt, ist die gravierende Problematik der geringen Flüssigkeitszufuhr (s.u.).

Dies alleine ist als Argument bereits ausreichend, um von Heu als Haupt- oder gar Alleinfutter strikt abzuraten.


Ist der hohe Rohfaseranteil im Heu ein Vorteil gegenüber Grünfutter?

Obwohl der Rohfaseranteil im Heu infolge des Flüssigkeitsentzugs ansteigt, ist dies kein Vorteil gegenüber Frischfutter.

Grund hierfür ist einerseits, dass parallel zum Flüssigkeitsentzug der Sättigungsgrad erheblich ansteigt, das Kaninchen entsprechend weniger Futter aufnimmt und folglich auch weniger kaut; andererseits der Wegfall der im frischen Grün enthaltenen Kristalle "mit Schleifeffekt", wie beispielsweise Kieselsäure. Letztere trägt maßgeblich zum Zahnabrieb bei, gehen beim Trocknungsvorgang zu Heu jedoch verloren.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Verdaulichkeit des Futters mit steigendem Rohfasergehalt sinkt. Da die groben, unverdaulichen Futterbestandteile rasch wieder ausgeschieden werden, führen sie im Übermaß zu einer so schnellen Darmpassage, dass dem Darm schlichtweg keine "Zeit" bleibt, die Nährstoffe im Futterbrei effizient zu resorbieren. In der Folge kann es zu Mangelerscheinungen und Gewichtsverlust kommen. Ideal ist ein Rohfasergehalt zwischen 14 und 16 Prozent.

Sehr grobes, stängeliges Grasheu hat meist einen Rohfasergehalt, der bereits ungesund hoch ist.

Hilfreich ist eine "Heu-Diät" lediglich bei Kaninchen, die zuvor ungeeignete oder gar giftige Nahrung verzehrt haben, welche zügig wieder ausgeschieden werden soll.