Kaninchenschnupfen-Erreger können meist nicht aus dem Körper eliminiert werden. Auch, wenn die Symptome abklingen, bleibt das Kaninchen latent (= verborgen) infiziert.
Dies liegt daran, dass sich v. a. der Erreger Pasteurella multocida unerreichbar in den Nasennebenhöhlen sowie den tiefer gelegenen Atemwegen abkapselt. Im Falle einer Immunsuppression (Stress, anderweitige Erkrankung, ...) sind also Rückfälle möglich. Eine individuell angepasste, zielgerichtete Therapie kann aber zu einem kompletten Abklingen der Symptome führen - oft jahre- oder sogar lebenslang.
Antibiotikum
Bei nur milder Symptomatik (z. B. klarer Nasenausfluss, gelegentliches Niesen) sollte zunächst versucht werden, auf Antibiotika zu verzichten. Ausnahme sind immunsupprimierte Tiere.
Bei deutlichen Symptomen (mit eitrigem Ausfluss, Fieber, reduziertem Allgemeinbefinden, Blutbildveränderungen, Ohren- / Lungenentzündungen, ...) hingegen ist eine sofortige antiobiotische Behandlung anzusetzen. Vorab empfiehlt sich die Entnahme einer Spülprobe und ein Erregernachweis.
Das Antibiotikum der ersten Wahl ist grundsätzlich Enrofloxacin (z. B. Baytril® , Orniflox® ); gibt es bereits eine Lungenbeteiligung, ist Azithromycin die bessere Alternative, da es wirksamer ins Lungengewebe eindringt. Sollte ein Schnupfenerreger mit einer Resistenz gegen den eingesetzten Wirkstoff nachgewiesen werden, muss die Antibiose umgestellt werden - es sei denn, es ist bereits eine deutliche klinische Besserung eingetreten.
Spätestens, wenn der Therapieerfolg ausbleibt oder es nach Abklingen der Symptome zu einem Rückfall kommt, sollte eine Nasenspülprobe für einen Resistenztest entnommen werden. Auf die Weise kann gezielt ein besonders effektiver Wirkstoff eingesetzt werden.
Zwischen der letzten Antibiotikagabe und der Nasenspülprobe sollten allerdings mindestens 14 Tage liegen, um falsch-negative Ergebnisse zu vermeiden. Daher ist es immer sinnvoll, die Probe bereits für einer antibiotischen Therapie zu entnehmen.
Pro- und Präbiotika sind im Falle einer Antibiotikagabe anzuraten, um die gutartige Darmflora zu unterstützen.
Autovakzine
Eine Autovakzine ist ein individueller Impfstoff, der sich gegen einen zuvor angezüchteten, spezifischen Erreger richtet. Es wird also eine bakteriologische Untersuchung aus einer Nasenspülprobe benötigt. Die Herstellung dauert meist drei bis vier Wochen.
Autovakzinen können für die orale, subkutane oder inhalative Verabreichung entwickelt werden. Bei Schnupfeninfektionen ist die Inhalationsvakzine das Mittel der Wahl. Nähere Informationen zum Thema Inhalation finden Sie weiter unten.
Pflanzliche Medikamente
Bei nur leichten Symptomen genügt es oft, das Kaninchen symptomatisch zu behandeln und pflanzliche Medikamente zur Stärkung des Immunsystems (z.B. Rodicare Pulmo®, Rodicare Immun®) zu verabreichen.
Pflanzenextrakte oder Öle aus Efeu, Thymian, Anis, Fenchel und Primel gelten als natürliche Schleimlöser und sind in vielen Schnupfenmedikamenten enthalten. Frischen Thymian und Fenchel können Sie nach Belieben dem Futter beimischen oder als Tee (zusätzlich zum Wasser) anbieten.
Bei schwereren Symptomen sind pflanzliche Heilmittel i. d. R. nicht ausreichend (vor allem bei eitrigem Ausfluss oder Fieber ist eine Antibiose Pflicht!), können unterstützend aber sehr gute Dienste leisten.
Immunaufbau
Das Immunsystem erkrankter Kaninchen kann und sollte auch durch weitere Maßnahmen gestärkt werden. Dies kann tierärztlich durch die Injektion von Interferon / Paramunitätsinducer (z.B. den Impfstoff Zylexis® - an Tag 1, Tag 3 und Tag 8 subkutan) erfolgen, ist aber darüber hinaus durch besonders hochwertige Ernährung (viele verschiedene frische Kräuter) und dadurch möglich, das Kaninchen bis zur Genesung unter durchgehend milden, gleichbleibenden Temperaturen und keinesfalls Zugluft oder Nässe auszusetzen.
D. h. bei extremen Temperaturen (Hochsommer oder Minusgrade) oder wechselhaftem Klima sollten im Freien lebende Kaninchen vorübergehend ins Haus geholt werden, sofern sie dadurch keinem extremen "Wärmeschock" ausgesetzt werden - während der Wintermonate ist unbedingt ein nur schwach bereizter Raum oder Dachboden zur Verfügung zu stellen. Anderenfalls schadet die plötzliche “Hitze” mehr, als sie nützt.
Es muss mindestens ein Artgenosse beim Patienten bleiben, da Isolationshaltung den Genesungsprozess verzögert! Bei beständigen, milden Temperaturen sollte ein Umgebungswechsel eher vermieden werden; es sei denn, das Kaninchen ist ein Intensivpatient, der unter permanenter Beobachtung stehen muss.
Wärmezufuhr
Viele Kaninchen mit einer schweren Schnupfeninfektion bevorzugen Wärme. Bieten Sie Ihrem Tier daher eine Rotlichtlampe, Wärmeflasche oder -matte an, die es bei Bedarf aufsuchen kann. Rotlichtlampen müssen unbedingt so angebracht werden, dass die Kaninchen sich nicht daran verbrennen können. Ausführliche Infos zur Wärmezufuhr finden Sie hier.
Schleimlöser
Sogenannte Expectorantia (z.B. Bromhexin oder Acetylcystein (ACC)) können zur Lösung der Sekrete sehr hilfreich sein. Je nach Präparat können sie sowohl oral eingegeben als auch gespritzt, inhalativ verabreicht oder in den Tränen-Nasen-Kanal eingegeben werden.
Bromhexin ist ein sogenanntes Sekretolytikum: Es verflüssigt körpereigene Sekrete. Mukolytika wie Acetylcystein hingegen sorgen dafür, dass die Konsistenz des Schleims weniger zäh wird. Beide Arzneimittelgruppen erleichtern den Abtransport von Sekreten und ergänzen sich sehr gut gegenseitig, weshalb sie gerne in Kombination eingesetzt werden.
Acetylcystein (z. B. Equimucin®, ACC Inject® ) Injektionslösung (100 mg / ml) kann im Verhältnis 1:5 mit steriler Kochsalzlösung verdünnt und für Inhalationen oder zur Spülung verstopfter Tränen-Nasen-Kanäle verwendet werden. Zusätzlich ist eine systemische Behandlung mit ACC-Injektionen oder ACC-Hustensaft, der oral verabreicht wird, möglich (2-3x tgl. 5 mg / kg p.o. oder s.c.).
Bromhexin (z. B. Bisolvon®) wird systemisch in einer Dosierung von 2-3x tgl. 0,5 mg / kg p.o. oder s.c. eingesetzt.
Schmerzmittel
Starker Nasenausfluss, verstopfte Tränen-Nasen-Kanäle und Bindehautentzündungen sind mit Schmerzen und Schwellungen verbunden. Das Kaninchen sollte daher ein entzündungshemmendes Schmerzmittel enthalten. Das Mittel der Wahl dafür ist Meloxicam (z. B. Metacam® , Melosus® ) in der Dosierung 2x tgl. 0,5 mg / kg oral oder subkutan.
Die antiinflammatorischen Eigenschaften wirken nicht nur schmerzhemmend, sondern wirken auch den Schwellungen entgegen. Dies ist besonders wichtig, wenn das Kaninchen infolge der entzündeten Nasenschleimhäute bereits Atembeschwerden hat.
Inhalation
Die Atmung kann mit Hilfe von Inhalationen erleichtert werden. Fürs Erste können dazu Wasseraufgüsse verwendet werden, der erzeugte Dampf hilft allerdings nur oberflächlich.
Für eine einfache Wasserdampfinhalation bietet sich als "Inhalator" eine Schüssel oder breite Tasse an, die mit kochendem Wasser gefüllt wird. Diesem Aufguss beigefügt werden kann z.B. Thymianöl oder Kamillentee, welche eine wohltuende Wirkung auf die Atemwege haben.
Weitaus wirkungsvoller sind Ultraschallzerstäuber (z.B. zweckentfremdete Luftbefeuchter / Vernebler) oder spezielle Inhalationsgeräte für Kleintiere oder Kinder (z. B. Pariboy® ), da nur die dadurch erzeugten Aerosole tief in die Atemwege vordringen. Ein solches Gerät wird am besten mit NaCl (physiologischer Kochsalzlösung) gefüllt und vorzugsweise mit Acetylcystein (s. o.) angereichert.
Der Patient wird zum Inhalieren in eine Transportbox mit seitlicher Gittertür gesetzt, vor welche der Inhalator / Verdampfer gestellt wird. Anschließend wird beides mit einem großen Handtuch abgedeckt, sodass ein Inhalationszelt entsteht.
Das Kaninchen sollte 1-2x täglich für maximal 15 Minuten inhalieren. Es empfiehlt sich, es währenddessen in der Box zu füttern, damit es den Vorgang mit etwas Positivem verknüpft und nicht als zusätzlichen Stress empfindet. Außerdem veranlasst an der Boxentür positioniertes Futter es dazu, mit dem Kopf in Richtung Tür und somit dicht am Inhalator zu sitzen.
Viele Kaninchen spüren die wohltuende Wirkung der Inhalationsdämpfe jedoch sehr schnell und genießen sie sichtlich.
Spülung der Tränen-Nasen-Kanäle
Vereiterungen und Verlegungen des Tränen-Nasen-Kanals werden vom Tierarzt durch Spülungen beseitigt. Hierzu kann das Auge vorab mit einem Tropfen, der ein Lokalanästhetikum enthält, betäubt werden. Meist ist dies aber nicht einmal notwendig.
Das obere Augenlid wird mit einem Finger leicht fixiert, während am unteren Augenlid leicht gezogen wird. Dadurch wird der am nasalen Augenwinkel befindliche Tränenpunkt, die Öffnung des Tränen-Nasen-Kanals, sichtbar.
Anschließend wird ein Plastik-Venenkatheter, aus dem vorab die Nadel entfernt wurde, in den Tränenpunkt eingeführt. Das Augenlid wird locker gelassen. Auf dem Venenkatheter befindet sich eine mit physiologischer Kochsalzlösung (NaCl) gefüllte Spritze, auf die nun ein sanfter Druck ausgeführt wird. Dadurch wird der Inhalt in den Tränen-Nasen-Kanal gespült und tritt - sofern er durchgängig ist - am Nasenloch aus. Die meisten Kaninchen beginnen dabei heftig zu niesen, wodurch weiteres Sekret aus den tiefer gelegenen Nasenwegen empor befördert wird.
Die Durchspülung erfolgt nach Möglichkeit solange, bis ohne größeren Druck klare Flüssigkeit aus dem jeweiligen Nasenloch tritt. Manchmal sind die Tränen-Nasen-Kanäle jedoch so geschwollen oder mit Sekret verstopft, dass sie sich nicht spülen lassen. In diesem Fall muss die Behandlung wiederholt werden, wenn die Schnupfensymptome sich etwas gebessert haben. Bis dahin sollte das Kaninchen mehrmals täglich ACC-haltige Augentropfen erhalten.
Bei Kaninchen mit einseitig entzündetem Tränen-Nasen-Kanal sind häufig die Backenzähne ursächlich!
Es handelt sich i.d.R. um retrograd wachsende oder entzündete Zahnwurzeln. Diese sind durch einen Blick in die Maulhöhle oder nur ein einziges Röntgenbild mitunter nicht erkennbar! Eine relativ sichere diagnostische Maßnahme sind Röntgenaufnahmen in mindestens 2-3 Ebenen oder eine Computertomographie (s.o.). Gerade letzte eignet sich ideal, um das Ausmaß der Erkrankung zu beurteilen und alle beteiligten Zahnwurzeln sicher identifizieren zu können.
Ist ein Tränen-Nasen-Kanal trotz unauffälliger Zahnwurzeln verlegt, kann neben einer einseitigen Infektion auch ein Fremdkörper verantwortlich sein. Durch eine Kontrastmittel-Spülung und anschließende Röntgenaufnahmen lässt sich die Engstelle lokalisieren.
Nach tierärztlicher Anleitung und mit etwas Übung können Sie die Tränen-Nasen-Kanäle
auch zu Hause spülen. Wichtig ist eine Hilfsperson, die das Kaninchen dabei festhält.
Nasentropfen
Bei starken Verklebung der Nasenlöcher können abschwellende Nasentropfen für Kinder gute Dienste leisten. Dafür ziehen Sie ca. 0,1 ml pro Nasenloch in einer Spritze auf und spritzen sie anschließend vorsichtig direkt in die Nase.
Augenmedikation
Bei Bindehautenzündungen sollte eine Behandlung mit antibiotischen Augentropfen erfolgen. Sie müssen mindestens 3x, besser 4-6x täglich verabreicht werden - anderenfalls bleibt der notwendige Wirkspiegel nicht dauerhaft erhalten und es kommt zur Resistenzbildung von Seiten der Bakterien!
Im Falle einer Dakryozystitis - vereiterten Tränen-Nasen-Kanäle - sind ebenfalls antibiotische Augentropfen anzuwenden. Sie können auch während der Spülungen der Tränen-Nasen-Kanäle der Spüllösung beigefügt werden, auf diese Weise gelangen sie besonders effektiv zum Wirkungsort.
Bei einem verstopften Tränen-Nasen-Kanal eignen sich Augentropfen, die mit ACC versetzt sind. Sie sollten viele Male über den Tag verteilt appliziert werden.
Augensalben sind für Kaninchen nur bedingt geeignet. Sie verkleben das umgebende Fell, werden mit den Vorderpfoten weggewischt und womöglich anschließend auch noch oral aufgenommen. Darüber hinaus werden sie oft schlecht vertragen und führen zu zusätzlichen Entzündungsprozessen im Augenbereich.
Entfernung von Verkrustungen
Verkrustete Augen- und Nasensekrete werden mit einem weichen, in lauwarmes Wasser getauchten Tuch vorsichtig aufgeweicht und abgelöst, um den Heilungsprozess zu beschleunigen und gegebenenfalls die Atmung zu erleichtern.
Sekretabsaugung
Mit einem Schleimabsauger für Babys können locker sitzende Sekrete behutsam aus der Nase gezogen werden.
Infusionen
Sie sind immer hilfreich, um den Kreislauf kranker oder anderweitig geschwächter Tiere anzukurbeln. Zudem unterstützen sie die Schleimlöser in ihrer Wirksamkeit. Je schlechter das Allgemeinbefinden und der Appetit des Kaninchens sind, desto bedeutsamer sind Infusionen.
Solange keine Untertemperatur vorliegt, müssen Infusionen nicht intravenös (am "Tropf") verabreicht, sondern können auch unter die Haut gespritzt werden. Dies kann Ihnen der Tierarzt in der Praxis zeigen, damit Sie es im Anschluss bequem und stressarm zu Hause durchführen können.
Empfehlenswert sind 50-ml-Spritzen mit aufgesetztem Butterfly-Katheter; die kurze Nadel und der dahinter befindliche flexible Plastikschlauch minimieren das Verletzungsrisiko im Falle von Abwehrbewegungen. Hingegen sind unmittelbar auf eine große Spritze gesteckte Kanülen gefährlich, da das Kaninchen sich die Kanüle bei einem Fluchtversuch weit in den Körper rammen kann.
Zwangsfütterung
Frisst das Kaninchen nicht von selber - entweder aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes oder des eingeschränkten Geschmacksinnes - , muss es mehrmals täglich mit einer Spritze gepäppelt werden, um lebensgefährlichen Aufgasungen vorzubeugen. Alle notwendigen Informationen zu diesem Thema finden Sie hier:
INFO: Päppeln / Zwangsfüttern
Sauerstoffzufuhr
Bei schwerer Atemnot muss das Kaninchen zunächst stationär aufgenommen und in einer Sauerstoffbox untergebracht werden. Dazu eignet sich eine kleine Box, die mit Plastikfolie umwickelt wird. Durch ein kleines Loch wird reiner Sauerstoff in die Box eingeleitet, sodass er sich darin anreichert. Ein zweites Loch ermöglicht die Ableitung von Kohlenstoffdioxid.
In der Sauerstoffbox wird das Kaninchen stabilisiert, bis die verabreichten Medikamente (Antibiotika, Schleimlöser etc.) anschlagen und die Atmung sich verbessert. Das ist jedoch nur möglich, wenn eventuelle Verkrustungen im Nasenbereich umgehend entfernt werden.
Nasenspülung?
Hierbei handelt es sich um eine sehr unangenehme, aber potenziell lebensrettende Maßnahme bei Schnupfenpatienten, die an schwerer Atemnot leiden. Kaninchen mit starkem Schnupfen atmen zunächst nicht durchs Maul, sondern versuchen krampfhaft, weiter durch die Nase zu atmen, und entwickeln Erstickungsängste, wenn dies nicht mehr richtig funktioniert. Sie können dabei so in Panik geraten, dass sie akut an Herzversagen versterben.
Bei solchen Patienten kann die Nasenspülung angewendet werden. Hierbei wird Kochsalzlösung mit Hilfe einer nadellosen Einwegspritze mit Druck in die Nasenlöcher gespritzt, wodurch festsitzendes Sekret gelöst werden soll. Es wird grundsätzlich zuerst das weniger verstopfte Nasenloch gespült, damit der Patient sofort wieder ausreichend damit atmen kann. Der Kopf des Tieres muss während der Spülung nach unten gehalten werden, um zu vermeiden, dass die Flüssigkeit in die Lungen gerät.