Enzephalitozoonose, landläufig als EC oder E. cuniculi bekannt, gehört zu den bekanntesten Kaninchenkrankheiten: Regionsabhängig sind 39-45 % aller Hauskaninchen in Deutschland mit dem Erreger infiziert ("Trägertiere"). Die Krankheit kann akut ausbrechen (oft mit Gleichgewichts- und Bewegungsstörungen oder Kopfschiefhaltung), aber auch ohne deutliche Symptome Organe schädigen (v.a. Niere, Leber und Lungen). Die Ansteckung erfolgt über den Urin von Partnertieren. Kaninchen, die sich einmal infiziert haben, tragen den Erreger lebenslang in sich.
Bei vielen scheinbar gesunden Trägertieren "wütet" der Erreger im Körper, schädigt fortschreitend Organe, beeinträchtigt das Immunsystem und vermindert die Wirksamkeit von Impfungen. Dies äußert sich z.B. in Form von Impfdurchbrüchen oder multiplen Organschädigungen in den Pathologie-Berichten verstorbener Tiere (s.u. "Diagnostische Maßnahmen" => Pathologiebefunde).
Eine Therapie ist nur eingeschränkt möglich; viele Tiere behalten Folgeschäden zurück.
Da eine Infektion ein Kaninchen lebenslang gefährdet und tendenziell lebensverkürzend ist, müssen EC-negative Tiere vor einer Ansteckung geschützt werden!
Daher gehört es zur Verantwortung eines jeden Kaninchenbesitzers, vor einer Vergesellschaftung eine Blutuntersuchung beider Tiere einzuleiten und keinesfalls ein EC-positives mit einem EC-negativen Tier zu vergesellschaften.
"Blinde" Zusammenführungen ohne eine vorherige Blutuntersuchung sind immer leichtfertig und setzen die Gesundheit und das Leben der Tiere aufs Spiel.
Erreger
Typ: Microsporidium (Reich der Pilze)
- Encephalitozoon cuniculi (EC)
Infektion mit EC (E. cuniculi)
Übertragung
- direkt über die Plazenta oder die Muttermilch
- direkt über den Urin (latent) infizierter Artgenossen bei "unpassenden" Vergesellschaftungen
- Indirekt über urinverschmutzte Objekte / Futtermittel / Umgebungen
Ursachen akuter Ausbrüche
- Immunsuppression durch Stress oder Erkrankungen
Symptome bei EC (E. cuniculi)
Je nachdem, welche Organe betroffen sind, können sehr viele verschiedene Symptome auftreten; einzeln oder kombiniert. Die folgenden Symptome sind durch EC möglich:
Zentrales Nervensystem
- Kopfschiefhaltung
- Gleichgewichtsstörungen
- Koordinationsprobleme, "Tollpatschigkeit"
- Orientierungslosigkeit
- Nystagmus (Augenflackern)
- Krampfhaftes In-den-Nacken-Biegen des Kopfes
- Epilepsie
- Lähmungen
- zentrale Blind- und Taubheit
- Anfälle
- Scannen (zwanghaftes Hin- und Herbewegen des Kopfes)
- “Trance“-Zustände
Augen & Nase
- Linsentrübung
- weiße Fäden oder Flecken im Auge
Harntrakt
- Inkontinenz = "Einnässen", Unsauberkeit
- vermehrter Durst und Urinabsatz, struppiges Fell und Abmagerung durch Nierenschäden
Selbst bei einigen Tierärzten hält sich noch immer das Gerücht, ein EC-Ausbruch würde sich immer in Form einer Kopfschiefhaltung oder Gleichgewichtsstörung äußern. Dies ist bei weitem nicht der Fall.
Umgekehrt gehen viele Tierbesitzer und -ärzte bei jeder Kopfschiefhaltung oder Bewegungsstörung ohne jegliche Diagnostik sofort von einer Enzephalitozoonose als Ursache aus. Insbesondere bei Widdern ist dies mit einem unvorstellbaren Leid verbunden, da Kopfschiefhaltungen bei ihnen meistens nicht durch EC, sondern durch Mittel- oder Innenohrentzündungen ausgelöst werden; die unbehandelt bleiben, indem die Symptomatik blindlings auf EC geschoben wird.
Laut wissenschaftlicher Untersuchungen liegt bei rund 70% der Kaninchen mit "EC-typischen Symptomen" eine andere Ursache zugrunde!
Daher dürfen Symptome, egal welcher Art, nie ohne weitere Abklärung blindlings einer Enzephalitozoonose zugeschrieben werden.
Mehr… Weniger…
Diagnostik bei EC (E. cuniculi)
- Antikörpernachweis im Blut
- Blutprofil inkl. Differentialblutbild und Organwerte
- (klinisches Bild)
- evtl. Röntgendiagnostik / CT
- evtl. Ultraschall
- Pathologieberichte verstorbener Tiere
Besteht der Verdacht auf einen akuten E. cuniculi-Ausbruch, muss umgehend mit der Fenbendazol-Behandlung (s.u.) begonnen werden, sofern das Kaninchen nicht bekanntermaßen EC-negativ ist.
Wird bei Kaninchen mit einem unbekannten EC-Status erst das Blutergebnis abgewartet, verschlechtert sich die Prognose erheblich!
Mehr… Weniger…Therapie bei EC (E. cuniculi)
Akut an E. cuniculi erkrankte Kaninchen sind immer ein Notfall und gehören auch nachts oder feiertags unverzüglich in tierärztliche Behandlung! Das Risiko irreparabler, oft tödlicher Folgeschäden erhöht sich mit jeder Stunde, die abgewartet wird.
Standard-Therapie bei EC (E. cuniculi)
- Fenbendazol
- Infusionen (bei akutem Ausbruch)
- Antibiotikum (bei akutem Ausbruch)
Prognose bei EC (E. cuniculi)
Die Prognose ist v.a. im akuten Krankheitsfall als sehr vorsichtig zu bewerten; denn selbst, wenn das Kaninchen nicht an der Erkrankung verstirbt, behält es mitunter so schwere Folgeschäden zurück, dass es euthanasiert werden muss.
Dazu gehören Kaninchen, deren Hinterbeine gelähmt bleiben, die aufgrund ihrer Kopfschiefhaltung unfähig sind zu fressen, die sich wegen ihrer Ataxien kaum noch fortbewegen oder nur noch im Kreis laufen können.
Aber: Solange Besserungen erkennbar nicht - auch, wenn sie nur langsam fortschreiten - ist eine Genesung möglich und das Kaninchen sollte die Chance bekommen! Dies gilt auch für schwerste neurologische Symptome wie Rollen und Festliegen.
In den ersten Tagen kann es trotz Intensivtherapie zu einer Anfangsverschlechterung kommen. Nach spätestens einer Woche sollte sich jedoch zumindest eine positive Tendenz zeigen. Eine gute, möglichst objektive Beobachtung durch den Besitzer ist hier essentiell.
Besonders bei Lähmungserscheinungen kann sich die Genesung lange hinziehen, ist aber mit der richtigen Medikation und physiotherapeutischen Maßnahmen durchaus möglich!
Eine dauerhafte Querschnittslähmung hingegen ist für ein Kaninchen keine Option.
- INFO: Kaninchen im Rollstuhl?
Prophylaxe bei EC (E. cuniculi)
- Artgerechte Haltung & Fütterung, Stressvermeidung
- keine Vergesellschaftung EC-positiver mit EC-negativen Kaninchen
- Vermeidung (in)direkten Kontakts zu fremden Kaninchen
- Regelmäßige Fenbendazol-Kuren?
- Fenbendazol-Kuren vor und während Stresssituationen
- Fenbendazol-Kuren vor Impfungen
- Allgemeine Gesunderhaltung
Kaninchen mit intaktem Immunsystem erleiden im Normalfall keinen akuten Erkrankungsausbruch.
Mehr… Weniger…