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Kaninchen ans Hochnehmen gewöhnen

Angst vorm Hochnehmen:  Ein Instinkt des Kaninchens

Als Fluchttier, das in der Natur nur von Fressfeinden gepackt wird, reagiert das Kaninchen instinkiv mit Nervosität oder sogar Panik darauf, wenn es festgehalten wird.

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Nur wenige Kaninchen sind tatsächlich entspannt und gleichgültig, wenn sie auf dem Arm gehalten werden. Daher sollten sie grundsätzlich immer am Boden gestreichelt werden und sollten sich dabei jederzeit zurückziehen können.

Natürlich gibt es dennoch immer wieder Situationen, in denen es notwendig ist, ein Kaninchen festzuhalten oder zu tragen - z.B. beim Gesundheitscheck, Krallenschneiden, Verabreichen von Medikamenten oder beim Tierarzt. Um dem Kaninchen damit verbundenen Stress zu ersparen, sollte es von Anfang behutsam Schritt für Schritt lernen, dass ihm in dieser "Zwangslage" nichts Schlimmes geschieht. Gerade im Krankheitsfall wirkt sich jeder zusätzliche Stress negativ auf die Genesung aus, weshalb hier durch sanftes Gewöhnungstraining vorgebeugt werden sollte.

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Entspannung oder Angststarre?

Bleibt ein Kaninchen ruhig auf dem Arm sitzen, mag es auf den Außenstehenden entspannt wirken, oft handelt es sich aber um eine Angststarre.

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In der Natur ist es mitunter seine einzige Überlebenschance, sich "totzustellen", damit der Feind es nicht wahrnimmt oder von ihm ablässt. Es kann jedoch auch passieren, dass es aus der Angststarre heraus einen "explosionsartigen" Fluchtversuch unternimmt, um den Überraschungseffekt nutzen und fliehen zu können. Auch ein ruhig auf dem Arm sitzendes Tier muss also immer sicher fixiert werden, da es sich ansonsten plötzlich ohne Vorwarnung mit seinen kräftigen Hinterläufen abstoßen und wegspringen kann. Ein solch unvermittelter Sprung vom Arm birgt ein hohes Verletzungsrisiko und ist eine der Hauptursachen für Frakturen.

Unterscheiden lässt sich eine entspannte von erstarrten Haltung anhand der Körperspannung, der Augen und der Atmung:

Ein entspanntes Kaninchen hat eine lockere Körperhaltung, einen entspannten Blick, atmet ganz normal wie gewohnt, bewegt evtl. neugierig den Kopf und die Ohren hin und her, schnuppert interessiert, wenn ihm jemand eine Hand entgegenstreckt, und lässt sich mit Leckerbissen füttern.

Ein nervöses Kaninchen ist leicht angespannt, die Augen sind weit geöffnet, die Atmung beschleunigt, es rührt sich entweder nicht oder macht hektische Bewegungen, um sich umzuschauen oder wenn ihm eine Hand entgegengestreckt wird. Leckerlis werden nicht oder nur sehr widerwillig angenommen.

Ein verängstigtes Kaninchen sitzt regungslos mit extrem angespannter Körpermuskulatur im Arm, hat weit aufgerissene Augen, oft mit sichtbaren Skleren ("man sieht das Weiße im Auge"), atmet rasend schnell und reagiert nicht, wenn man ihm die Hand oder ein Leckerli entgegen streckt.

Sucht ein noch nicht handzahmes Kaninchen den Kontakt zu Ihnen, greifen Sie nicht sofort über seinen Kopf, um es am Rücken zu streicheln.

Diese Bewegung wirkt auf ein Kaninchen sehr bedrohlich und es wird vermutlich flüchten. Erfolgsversprechender ist es, ihm zunächst auf Höhe seiner Nase die Hand entgegenzustrecken, damit es in Ruhe daran schnuppern kann. Zieht es den Kopf nicht zurück, berühren Sie zunächst sanft mit Daumen oder Zeigefinger seinen Nasenrücken und streicheln Sie es die Stirn hinauf. Diese Berührung mögen viele Kaninchen sehr gerne. Nach und nach können Sie versuchen, es auch seitlich am Kopf, zwischen den Ohren, später im Nacken- und Rückenbereich zu streicheln.

Erst, wenn das Kaninchen all diese Berührungen gut toleriert, beginnen Sie mit dem Training fürs Hochnehmen.

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Die Angst vorm Hochnehmen abtrainieren

Warum sollte man Kaninchen ans Hochnehmen gewöhnen?

Ein Kaninchen im Alltag nie hochzunehmen, mag zunächst die einfachste Lösung darstellen, birgt jedoch einige Risiken

  • Tumore im Brust- oder Bauchbereich sind oft nicht zu sehen, sondern können nur ertastet werden. Wenn Sie das Kaninchen nicht wöchentlich "durchchecken" und dabei auch abtasten, werden sie mitunter viel zu spät entdeckt.

  • Verschmutzungen der Anogenitalregion, die auf Darm-, Harnwegs- oder Gebärmuttererkrankungen hindeuten und ein hohes Risiko für einen Fliegenmadenbefall darstellen, werden ebenfalls leicht übersehen.

  • Gewichtsveränderungen, die beim wöchentlichen Wiegen schnell auffallen, werden lange Zeit nicht bemerkt. Die ursächliche Erkrankung bleibt also langfristig unbehandelt.

  • Kranke Kaninchen müssen angeschaut und ggf. mit Medikamenten versorgt oder zwangsgefüttert werden. Wenn sie es nicht gewohnt sind, hochgenommen zu werden, bedeutet dies massiven zusätzlichen Stress, der die Genesung deutlich verzögern kann!

  • Jede Pflegemaßnahme (Krallenschneiden, Bürsten, Geschlechtsecken säubern,...) bedeutet einen massiven Stress für das Tier, wenn es Angst vorm Hochnehmen hat.

  • Tierarztbesuche, die ohnehin immer mit Stress verbunden sind, werden von einem Tier als noch viel schlimmer empfunden, wenn Hochnehmen und Festhalten grundsätzlich Angst bei ihm auslöst.
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Aus diesen Gründen sollte das Kaninchen zwar so wenig wie möglich grundlos festgehalten, aber dennoch langsam und behutsam daran gewöhnt werden, dass es davor keine Angst zu haben braucht.

Es ist völlig normal, dass dennoch weiterhin Fluchtversuche unternommen werden – aber besser aus Unwillen oder "Verärgerung" als aus Angst und Panik. Das Tier sollte das Hochnehmen als etwas vielleicht Lästiges, aber zugleich völlig Harmloses empfinden. Dies erreichen Sie am besten, indem Sie ebenso beiläufig und entspannt damit verfahren, wie Sie es sich von Ihrem Tier wünschen.

Es ist wenig erfolgsversprechend, das Tier in eine Ecke zu treiben und es dann mit einer schnellen Bewegung zu greifen. Ein solches Erlebnis wird das Tier negativ in Erinnerung behalten!

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Desensibilisierung Schritt für Schritt

Ratsam ist eine allmähliche Desensibilisierung. Voraussetzung dafür ist es, dass das entsprechende Kaninchen bereits handzahm ist und sich entspannt am Kopf und auch am Rücken streicheln lässt. Ist dies nicht der Fall, muss ihm zunächst die Angst vorm Anfassen genommen werden:

Gehen Sie es unbedingt geduldig mit langsamer Steigerung an:

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  • 1. Schritt: Streicheln Sie dem Kaninchen beim Fressen erst mit einer, dann mit beiden Händen zu beiden Seiten sanft über den Rücken und umfassen Sie nach einer Weile während einer Streichelbewegung ganz vorsichtig und beiläufig mit beiden Händen seinen Brustkorb.

  • 2. Schritt: Sobald es darauf ohne Schrecken oder Misstrauen reagiert, umfassen Sie seinen Brustkorb das nächste Mal ein wenig fester, so, wie Sie es beim Hochnehmen tun würden.

  • 3. Schritt: Wird auch dies problemlos toleriert, heben Sie seinen Brustkorb beim nächsten Mal ein klitzekleines Stück weit an und lassen gleich danach wieder los. Füttern Sie weiter, als wäre nichts gewesen.

  • 4. Schritt: Jedes Mal, sobald das Kaninchen sich nicht mehr daran zu stören scheint, können Sie einen kleinen Schritt weitergehen – nach einiger Zeit heben Sie seinen Körper vollständig vom Boden ab und setzen es nur einen Hoppelsprung weiter wieder auf den Boden. Dort sollte ein besonderer Leckerbissen "warten".

  • 5. Schritt: Sobald das "Umsetzen" ohne Probleme klappt, setzen Sie sich das nächste Mal neben das Kaninchen auf den Boden und heben es auf Ihren Schoß. Dort reichen Sie ihm sofort einen besonderen Leckerbissen. Halten Sie es nicht fest! Vermutlich wird es anfangs sofort wieder hinunterspringen, was völlig in Ordnung ist.

  • 6. Schritt: Sobald das Kaninchen entspannt auf Ihrem Schoß verharrt und weiterfrisst oder sich von selber auf Ihren Schoß locken lässt, können Sie es dort einen kurzen Moment lang festhalten, so, wie Sie es beim Tragen halten würden.

  • 7. Schritt: Wird auch Schritt 6 angstfrei gemeistert, nehmen Sie das Kaninchen beim nächsten Mal, wenn Sie es vom Boden anheben, auf den Arm und halten Sie es dort einen Moment lang. Danach setzen Sie sich mit ihm auf den Boden und lassen es von selber von Ihrem Schoß springen.

  • 8. Schritt: Der letzte Schritt besteht darin, dass Sie das Kaninchen aufnehmen, im Arm halten, einige Schritte tragen und wieder hinunterlassen können, ohne, dass es danach erschrocken wirkt. Nimmt es am Boden sofort wieder Leckerlis an oder frisst sogar auf dem Arm, hat es die Übung gemeistert! Den letzten Schritt wiederholen Sie beim wöchentlichen Gesundheitscheck automatisch, sodass das Hochnehmen für das Kaninchen nicht in Vergessenheit gerät. Ein häufigeres Üben ist nicht notwendig.

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Nicht zu viel des Guten

Achten Sie darauf, die Kaninchen nicht zu überfordern.

Es sollte maximal zweimal am Tag trainiert werden und das Tier dabei auch nur jeweils einmal hochgehoben werden. Jeder weitere Kontakt sollte ohne "Trainingsabsichten" erfolgen, damit die Tiere nicht das Gefühl bekommen, jedes Mal, wenn sie sich streicheln lassen, auch hochgenommen zu werden. Dies sollte immer die Ausnahme bleiben, auch, wenn die Kaninchen keine Angst mehr davor haben.


Gegenkonditionierung mit Futter

Gegenkonditionierung bedeutet, ein Erlebnis, das bisher mit etwas Negativem verknüpft wird, ersatzweise mit etwas Positivem zu verbinden. Beispielsweise soll das Kaninchen beim Hochnehmen die Angst davor, gepackt zu werden, durch die Vorfreude auf einen Leckerbissen "ersetzen".

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Am "tolerantesten" sind alle Tiere, wenn sie mit reichlich Futter "entschädigt" werden. Reichen Sie den Kaninchen also erst einmal etwas zu fressen, beginnen Sie anschließend mit dem Streicheln und fahren Sie mit dem Hochnehmen fort, während das Kaninchen noch ein langes Blatt im Maul hat. Dadurch lernt es nicht nur, dass sich das Anheben mit etwas sehr Angenehmem kombinieren lässt – Sie können auch an seinem Kauverhalten gut erkennen, ob das Tier nervös wird:

Unerschrockene Kaninchen mümmeln während des Hochnehmens und Tragens unbeeindruckt weiter, während verängstige Tiere ihre Kaubewegungen deutlich verlangsamen oder einstellen.

Versuchen Sie bereits auf dem Arm, dem Kaninchen einen ganz besonderen Leckerbissen anzubieten. Spätestens zurück auf dem Boden sollte es diesen annehmen, anderenfalls ist es noch sehr erschrocken - was bedeutet, dass Sie im Training zu schnell vorangeschritten sind.

Viele Kaninchen reagieren nach dem Absetzen zunächst “verärgert” und hoppeln davon, während sie die Hinterbeine ausschütteln oder sogar einmal kräftig auf den Boden klopfen. Wenn sie sich sofort danach wieder zurück locken und den Leckerbissen geben lassen, ist das nicht weiter tragisch. Bleiben sie trotz des Lockens mit einem Leckerli vorerst zurückgezogen, machen Sie beim nächsten Mal noch einmal einen Schritt zurück und gehen es langsamer an.

Warten Sie nach Möglichkeit geduldig ab, bis die Kaninchen schließlich wieder hervorkommen und Sie ihnen ihre Belohnung geben können; dadurch beenden Sie die Übung mit etwas Positivem. Vergessen Sie nicht: Der letzte Eindruck bleibt – auch beim Tier!

Mit seinem Leckerli “nachlaufen” sollten Sie einem Tier hingegen nicht, damit es sich nicht noch mehr bedrängt fühlt. Außerdem würde es daraus lernen, dass Rückzug mit einer Belohnung verbunden ist.

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