Futtermittel-Check: Eigenschaften gesunder Futtermittel
Grundlegende Eigenschaften der Nahrung
In der Natur ernähren sich Kaninchen abhängig von der Jahreszeit hauptsächlich von Kräutern, Blättern, Gräsern, Wurzeln, Zweigen und Rinden, im Herbst oftmals ergänzt durch kleine Mengen Früchte und Getreide. Diese Nahrungsmittel besitzen in erster Linie vier Eigenschaften: Sie sind erstens reich an strukturierter Rohfaser, zweitens stark flüssigkeitshaltig, drittens kalorienarm und viertens arm an Kohlenhydraten.
Von Frühling bis Herbst ernähren sich Wildkaninchen fast ausschließlich von diversen unterschiedlichen Gräsern, Kräutern und grünen Zweigen. Es gibt keine bessere Gesundheitsprophylaxe, als sich daran zu orientieren und auch unseren Heimtieren, wann immer es möglich ist, die Möglichkeit zu geben, sich an gemischtem Wiesengrün und Zweigen sattzufressen.
Kaninchen, die täglich mit reichlich frischem Grünfutter ernährt werden, nehmen damit nicht nur alle erforderlichen Nährstoffe auf, sondern auch intakte Rohfaser. Diese hält die Zähne und den Verdauungstrakt gesund. Letztlich enthält Grünfutter sehr große Mengen an Flüssigkeit, welche Verstopfungen und Harnwegserkrankungen vorbeugt.
Bedeutung der Rohfaser
Die zähe Rohfaser hat zur Folge, dass die Tiere ausführlich mahlen müssen, bis sie ihre Nahrung zerkleinert haben, wodurch ein ausreichender Zahnabrieb gewährleistet wird. Hierzu trägt auch die geringe Nährdichte bei, da die Tiere über den Tag verteilt große Mengen verzehren müssen, um ihren Energiebedarf zu decken - und dementsprechend viel mahlen. Auch die Verdauungspassage, welche - anders als bei Fleisch- und Allesfressern - weniger durch Muskeltätigkeit als viel mehr durch nachfolgenden Nahrungsbrei aufrecht erhalten wird, kann nur gewährleistet werden, wenn das Kaninchen viele kleine Mahlzeiten täglich zu sich nimmt und seine Nahrung strukturierte Rohfaser beinhaltet.
Die Rohfaser setzt sich grundsätzlich aus groben und feineren Partikeln zusammen. Die groben, unverdaulichen Fasern werden zügig durch den Darm geschleust und kurbeln dadurch die Verdauung an; sie werden als gewöhnliche runde, trockene Köttel ausgeschieden ("Hartkot").
Nimmt ein Kaninchen zu wenig grobe Rohfaser zu sich (z.B. durch eine Ernährung mit Pellets, die nur fein zermahlene Rohfaser enthalten), kommt es zu einer Darmträgheit, d.h. der Nahrungsbrei wird zu langsam durch den Darm transportiert und kann zu gären beginnen, was in vielen Fällen lebensbedrohliche Aufgasungen zur Folge hat.
Die feineren Rohfaserparikel hingegen gelangen in den Blinddarm und dienen der dortigen Darmflora als Nahrungsgrundlage. Diese Darmflora ist für das Kaninchen überlebenswichtig, da sie essentielle Nährstoffe (u.a. Proteine und B-Vitamine) produziert. Diese werden als kleine, weiche, feucht glänzende und penetrant riechende "Perlen", den sogenannten "Blinddarmkot", ausgeschieden, den das Kaninchen direkt vom After wieder aufnimmt, um die enthaltenen Nährstoffe im zweiten Verdauungsdurchgang verwerten zu können.
Ein Absterben der Blinddarmbakterien würde außerdem dazu führen, dass sich an ihrer Stelle pathogene Keime vermehren können, welche Giftstoffe und Gase bilden. Dies kann innerhalb von Stunden lebensgefährlich werden, da die Kaninchen akut aufgasen, massive Durchfälle entwickeln und die Keime in die Blutbahn schließlich übertreten, wo sie eine Sepsis (Blutvergiftung) auslösen.
Bedeutung des Flüssigkeitsgehaltes
Kaninchen decken ihren Flüssigkeitsbedarf vorwiegend über ihre Nahrung. Eine trockene Ernährung führt zwar dazu, dass sie den gröbsten Durst durch vermehrtes Trinken stillen - jedoch nehmen sie dabei nur einen Bruchteil der Flüssigkeit auf, den sie durch frischfutterreiche Fütterung konsumieren würden. Der Gedankengang "Bei trockener Fütterung wird der Flüssigkeitsmangel durch Trinken ausgeglichen" geht daher nicht auf.
Ein hoher Flüssigkeitsgehalt in der Nahrung ist nicht nur die beste Vorsorgemaßnahme gegen (oft lebensbedrohliche) Verstopfungen, sondern trägt auch entscheidend zur Gesunderhaltung der Harnwege bei: Da Kaninchen zu den Tieren gehören, die überschüssiges Kalzium nicht über den Darm, sondern über die Nieren ausscheiden, kommt es bei ihnen häufig zur Grieß- und Steinbildung in den Harnwegen.
Enthält die Nahrung nun parallel zum Kalzium auch große Mengen an Flüssigkeit, verhindert dies, dass sich das Kalzium in den Harnwegen anlagern und dort die beschriebenen Krankheitsbilder auslösen kann. Letztlich neigen mit E. cuniculi infizierte Kaninchen (die rund 40 % aller Hauskaninchen ausmachen!) allgemein zu chronischen Niereninsuffizienzen. Eine stark flüssigkeitshaltige Nahrung stellt auch dagegen eine hervorrangende Prophylaxemöglichkeit dar.
Probleme bei zu hoher Nährdichte
Eine zu kalorienhaltige Fütterung fördert nicht nur Übergewicht und alle damit verbundenen Folgeerkrankungen. Sie führt beim Kaninchen auch dadurch zu Problemen, dass sie zu einer schnellen und langanhaltenden Sättigung führt. Hierdurch wird der im Darm befindliche Nahrungsbrei zu langsam vorangeschoben und es kommt zu einer Darmträgheit.
Typische Folgen einer Darmträgheit sind Aufgasungen, Verstopfung, Bauchschmerzen und Inbalancen der Darmflora. Auch Krankheitsbilder wie Magenbezoare und Fettleber werden gefördert.
Je weniger Nahrungsvolumen das Kaninchen zu sich nimmt, desto weniger Zeit verbringt es mit Mahlen und desto weniger Zahnabrieb erfolgt. Dies führt auf Dauer zu einem Überwuchs der Zähne.
Ferner ist kalorienhaltige Kost meist arm an Rohfaser und gleichzeitig wird die rohfaserhaltige Kost tendentiell liegen gelassen, wenn die Tiere bereits anderweitig gesättigt sind. Auch hierdurch werden Darmträgkeiten und Zahnprobleme gefördert, zudem fehlt der lebensnotwendigen Darmflora die faserhaltige Nahrungsgrundlage.
Probleme durch zu viele Kohlenhydrate
Die Blinddarmflora des Kaninchens ist auf einen hohen pH-Wert angewiesen, um zu überleben. Ein Übermaß an leicht verdaulichen Kohlenhydraten, wie z.B. Glukose (gezuckerte Nahrungsmittel), Fruktose (Obst) und Stärke (Getreide, Mehlprodukte, Banane), verschiebt den pH-Wert des Blinddarms in den sauren Bereich, wodurch die physiologischen Darmbakterien gestört werden.
Durchfall und Bauchschmerzen sind typische Folgen. Weiterhin wird die Vermehrung pathogener Keime gefördert, welche Giftstoffe und Gas produzieren und Entgleisungen der Darmflora und des Stoffwechsels verursachen können.
Kohlenhydrathaltige Futtermittel sollten daher immer nur in kleinen Mengen aus der Hand gefüttert werden. Wird Getreide angeboten (bei untergewichtigen Kaninchen oder als gelegentliche Nahrungsergänzung), sollte es grundsätzlich im Spelz gefüttert werden, da dieser reich an Rohfaser ist, welche die Verdauung wiederum positiv beeinflusst. Weizen und Roggen enthalten für Kaninchen unverträgliches Gluten und sollten nie gefüttert werden.
Besonderheiten in der Winterfütterung
Im Winter wird es etwas kniffliger: Wer nicht den ganzen Tag mit der Suche nach Grünfutter verbringen möchte, muss ersatzweise auf Blattgemüse und Küchenkräuter zurückgreifen.
Während Wildkaninchen in der kalten Jahreszeit ihre Zeit damit verbringen, den spärlichen Pflanzenbewuchs unter der Schneedecke nach nahrhaften Trieben frostresistenter Pflanzen zu durchsuchen, Bäume zu benagen und nach Wurzeln zu graben, wird kaum ein Besitzer seine Kaninchen auf diese Weise durch den kompletten Winter bringen können. Mit verschiedenen Salatsorten (vorzugsweise Bittersalate), blättrigem Kohl, Gemüsegrün und verschiedenen Kräutern lassen sich dennoch vielfältige und vollwertige Rationen zusammenstellen.
Ein wertvolles Winter-Futtermittel direkt aus der Natur sind Zweige, sowohl kahl als auch von immergrünen Bäumen (z.B. Tanne, Fichte, Kiefer - keinesfalls mit Eibe verwechseln!). Sie sollten rund um die Uhr zur freien Verfügung angeboten werden. In einem mit Wasser gefüllten Baumständer bleiben sie tagelang frisch.
Wer einen eigenen Garten oder Balkon oder viel Platz im Haus hat, kann auch gezielt immergrüne Futterpflanzen wie Bambus anbauen.
Besonderheiten bei Untergewicht
Bei Kaninchen, die zu Untergewicht neigen (oftmals ältere oder chronisch kranke Tiere, Kaninchen in Winteraußenhaltung und sehr große Rassen), können kleine Mengen (weiche) Getreideflocken oder Getreide im Spelz (außer Weizen und Roggen) zugefüttert werden. Hier sollte man sich langsam an die Menge herantasten, die notwendig ist, um das Idealgewicht zu halten. Bei leichtem Untergewicht hilft es meist schon, den Anteil an Wurzel- und Knollengemüse in der Futterration zu erhöhen. Dies ist einer Getreidefütterung grundsätzlich vorzuziehen, um mehr Flüssigkeit und weniger Stärke zuzuführen.