Pellets für Kaninchen
Vermeidung von selektivem Fressen
"Pellets sind zur Ernährung besser geeignet als Mischfutter, weil das Kaninchen nicht selektieren kann." - Diese Ansicht ist weit verbreitet, was bei dem erhältlichen Mischfutterangebot auch kaum verwunderlich ist: Denn süße, unnatürliche Futterbestandteile, oft mit künstlichen Aromen versetzt, werden den gesunden vorgezogen, was bei unbegrenztem Angebot ein Problem darstellt. Frisst ein Kaninchen hingegen pelletiertes Futter, ist es gezwungen, alle Inhaltsstoffe gleichermaßen zu sich zu nehmen.
Aber:
Ein Kaninchen selektiert nur dann "ungesund", wenn ihm unnatürliche Komponenten zur Wahl gestellt werden. Für diese fehlt ihm das "instinktive Wissen".
Das heißt im Umkehrschluss: Ein Kaninchen, das vernünftig gehalten wird und dem durchweg artgerechte Futtermittel angeboten werden, kann sehr gut selbstständig entscheiden, wie viel es wovon frisst. In diesem Fall ist Pelletfütterung sogar kontraproduktiv: Denn hier hat das Kaninchen keine Möglichkeit, nach Bedarf zu fressen.
Ein Fressen nach Bedarf ist bei einem ständigen, beliebigen Angebot an Wiese, Gehölzen, Gemüse, naturbelassenem Getreide usw. gut möglich, nicht jedoch bei der Ernährung mit Pellets oder handelsüblichen "Snacks" oder bei einer ausschließlichen Ernährung mit Heu und Wurzelgemüse.
Dass Kaninchen mit nicht-artgerechter Kost nicht umzugehen wissen, kann daher kein Argument für eine Pelletfütterung darstellen.
Feine Partikel
Die wohl größte Gefahr geht jedoch von der Konsistenz eines pelletierten Futtermittels aus:
Die Herstellung von Pellets erfolgt, indem die Inhaltsstoffe fein vermahlen, zu einer Masse verarbeitet und anschließend in ihre typische Form gepresst werden.
Die ursprüngliche Struktur der Inhaltsstoffe wird durch diese Prozedur komplett zunichte gemacht. Das bedeutet u.a., dass die enthaltene Rohfaser nicht mehr als solche verwertbar ist - durch die Partikelgröße von weniger als 0,3 mm passiert sie den Darm keineswegs zügig - wie Ballaststoffe es tun sollten, ehe sie mit dem Hartkot ausgeschieden werden - , sondern der gesamte Nahrungsbrei ist hochverdaulich, gelangt komplett in den Blinddarm und bleibt so lange dort, dass es zu schweren Fehlgärungsprozessen und der Ansiedelung von Krankheitserregern kommen kann.
Auch eventuell enthaltenes Getreide wird erst dadurch zum echten Problem, dass die Rohfaser des Spelzes nicht mehr in ihrer natürlichen Struktur vorliegt, sondern zusammen mit dem Mehlkörper zu einer hochverdaulichen Masse ohne jegliche grobe Partikel zermahlen wurde.
Zahnschädliche Konsistenz
Damit die Zähne des Kaninchens sich gegenseitig abschleifen können, ist ein mahlender Kauvorgang erforderlich. Pellets hingegen werden durch quetschende Kaubewegungen zerkleinert.
Dies verhindert erstens den Zahnabschliff; zweitens kommt es zur vertikalen Krafteinwirkung auf die Kieferknochen. Langfristig führt diese Druckbelastung zum retrograden Zahnwachstum; die Zahnwurzeln werden in die Kieferknochen "gestempelt". Häufige Folgen sind Entzündungen, die die entsprechenden Zähne zerstören sowie Abszesse und Kieferfrakturen nach sich ziehen können.
Zahnfreundliches Futter ist flach, weich, faserhaltig und kalorienarm.
Geringer Flüssigkeitsgehalt
Die Ausspülung von Kalzium ist von großer Bedeutung, da die Kalziumresorption im Darm der Kaninchen nicht etwa wie bei uns Menschen nach Bedarf, sondern nach Angebot geschieht.
Bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr löst sich das Kalzium nicht mehr vollständig im Urin, sondern lagert sich in Form von Kristallen in Nieren, Harnleitern und Blase an und führt zunächst zum sogenannten Grieß, manchmal auch zur Bildung von Steinen - die operativ entfernt werden müssen.
Zwar trinken Kaninchen, die Trockenfutter fressen, mehr als artgerecht gefütterte Tiere - um die gleiche Menge an Flüssigkeit zu sich zu nehmen, müssten sie pro Tag allerdings mindestens einen halben Liter Wasser konsumieren, was in der Realität nicht geschieht.
Ein weiterer begünstigender Faktor für Konkremente ist die hohe Kalziumkonzentration, wie sie in vielen Pellets zu finden ist; denn gerade in Kombination mit geringer Flüssigkeitsaufnahme stellt der Verzehr kalziumreicher Nahrungsmittel ein hohes Risiko dar.
Da sie einerseits kaum Flüssigkeit enthalten, andererseits die Aufnahme flüssigkeitshaltiger Futtermittel vermindern und drittens oft zu viel Kalzium enthalten, begünstigen Pellets auf dreifache Weise die schleichende Entwicklung von Kalzinosen.
Sinnvolle Fütterung von Pellets
In einigen Fällen kann die Fütterung von (bestimmten) Pellets durchaus sinnvoll sein:
- zum Zwangsfüttern
- für Kaninchen, die vorübergehend oder dauerhaft nicht kauen können, z. B. aufgrund einer Kieferfraktur oder Zahnerkrankung
- für Kaninchen mit Mittelohrentzündung, die Schmerzen beim Kauen haben
Dabei ist Folgendes zu beachten:
- Die Pellets müssen zuvor eingeweicht werden
- Sie sollten als Alleinfuttermittel deklariert sein
- Sie sollten keine schädlichen Bestandteile wie Gluten, Zucker, Honig oder Milch enthalten
- Sie sollten nicht nur reich an Rohfaser, sondern vor allem an grober Rohfaser sein
- Die Partnertiere sollten nicht mitfressen (ggf. chipgesteuerten Futterautomaten oder per chipgesteurter Katzenklappe abgegrenzten Bereich einrichten)