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Wenn Kaninchen Grünfutter verweigern

Bild von Michelle Mabelle

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Immer wieder hört man von Kaninchen, die an Grünfutter oder allgemein an jeglichem Frischfutter überhaupt kein Interesse haben. Ein solch unnatürliches Verhalten ist immer Folge einer vorangegangenen Fehlernährung oder einer Erkrankung.

Gesunde Kaninchen, die von kleinauf richtig ernährt wurden, lieben Grünfutter - ohne diese Vorliebe würden ihre wilden Verwandten nicht lange überleben. Daher ist es weder "normal" noch "nicht so schlimm", wenn ein Kaninchen hartnäckig kein Grünfutter fressen mag - sich damit abzufinden, beseitigt nicht die mitunter gravierende Ursache und kann schwerwiegende Folgen für das Tier haben.

Die meisten Trockenfuttersorten sind derart mit künstlichen Aromen oder unnatürlichen, besonders schmackhaften Inhaltsstoffen versehen, dass die Kaninchen sie dem Grünfutter vorziehen. In der Folge sind sie nicht selten so stark gesättigt, dass sie mit Grünfutter schlichtweg nichts anfangen können.


Warum bevorzugen Hauskaninchen ungesunde Futtermittel?

Kaninchen bevorzugen süße sowie nahrhafte Kost instinktiv - was leicht nachvollziehbare Gründe hat: Erstens sind einige Nahrungsmittel (z.B. Früchte im Herbst) der Wildkaninchen von süßem Geschmack, und zweitens führt die Ressourcenknappheit im Winter dazu, dass Tiere, die die kalorienreiche Kost für sich beanspruchen, bessere  Überlebenschancen haben.

Für ein Wildkaninchen haben diese Vorlieben keinerlei Nachteile, da sie übermäßig süße (Zucker, Honig, Melasse etc.) oder fette (Nüsse, Körner u.v.m.) Nahrungsmittel nur begrenzt oder gar nicht vorfinden.

Werden Tiere, die sich ihrem natürlichen Lebensraum optimal angepasst haben, nun hingegen mit unnatürlichen Faktoren konfrontiert, haben sie dafür keinerlei Instinkte. Mit anderen Worten: es wird aufgrund der natürlichen Vorliebe für süße und fette Nahrung auch übermäßig süße und übermäßig fette Nahrung bevorzugt - und auch bezüglich der Mengen kennen die Tiere ihre Grenzen nicht, da das Angebot in der Natur ohnehin begrenzt ist.

Auf diese Weise kann ein Futtermittel den Kaninchen mit nicht-artgerechten Bestandteilen besonders schmackhaft gemacht werden. Diese Tatsache wird von der Futtermittelindustrie ausgenutzt, um die eigenen Produkte besser verkaufen zu können - zu Lasten der "ahnungslosen" Tiere und ihrer gutgläubigen Besitzer.

Würde Wildkaninchen ein unbegrenztes Angebot an handelsüblichem Trockenfutter zur Verfügung stehen, würden diejenigen unter ihnen, die keinen Geschmack daran fänden, gesünder leben, sich demzufolge stärker vermehren und ihre "Anti-Trockenfutter-Gene" an ihre Nachkommen weitergeben; d.h. die "Trockenfutterliebhaber" würden über die Generationen hinweg aussterben.


Wie können Grünfutterverweigerer dennoch umgestellt werden?

  • permanente Reduktion der Trockenfuttermenge
  • ständiges Angebot mehrerer qualitativ hochwertiger Heusorten
  • täglich neuerliches Angebot kleiner gemischter Grünfutterportionen
  • Angebot von Zweigen

Zuerst einmal ist es wichtig, die für die "Grünfutterverweigerung" ursächliche Kost - das Trockenfutter - allmählich abzusetzen. Um sich dennoch sattfressen zu können, müssen die Kaninchen rund um die Uhr hochwertiges Heu in beliebiger Menger zur Verfügung haben.

Um es für die Kaninchen attraktiver zu gestalten und die Nährstoffzufuhr zu intensivieren, ist das Angebot mehrerer verschiedener Heusorten (verschiedene Schnittzeitpunkte, Zusammensetzungen und Hersteller) anzuraten. Auch sollte das Heu nicht tagelang im Gehege liegen (wo es schnell sein Aroma verliert), sondern es sollte täglich eine frische Portion aus der Tüte angeboten werden. Auf die Weise ist das Heu deutlich attraktiver für die Kaninchen.

Äußerst beliebt sind Trockenkräuter. Allerdings ist ihr hoher Kalziumgehalt gerade in Kombination mit geringer oder keinerlei Grünfutteraufnahme äußerst bedenklich. Aus diesem Grunde sollten immer nur kleine Mengen gereicht werden, die vorzugsweise unters Heu gemischt werden: Dadurch nimmt dieses einen Teil des Aromas an und wird eher mitgefressen. Getrocknete Blätter und Blüten sind ebenfalls beliebt und weniger kalziumlastig. Wenn die Kaninchen sie mögen, sollten sie gegenüber den Trockenkräutern bevorzugt angeboten werden.

Zusätzlich sollten täglich Kleinstmengen Grünfutter angeboten werden. Geben Sie nicht auf, wenn Ihre Tiere es tage- oder sogar wochenlang nicht anrühren: Spätestens, wenn das Trockenfutter vollständig abgesetzt wurde, bietet Heu alleine ihnen meist nicht mehr genügend Abwechslung und sie werden allmählich Interesse an der Frischkost entwickeln.

Bieten Sie Ihren Tieren auch Zweige an, wenn möglich mit Blättern und Knospen. Besonders beliebt sind Weidenzweige. Baumbestandteile sind im Winter das Grundfutter der Wildkaninchen und demzufolge ein enorm wertvolles Nahrungsmittel, das das Grünfutter eine gute Zeitlang ersetzen kann. Zudem lässt sich daran der Nagetrieb befriedigen, was für viele Kaninchen bereits Anreiz genug ist. Viele Kaninchen mögen im Winter Nadelzweige (z.B. von Kiefer, Tanne und Fichte).


Was, wenn selbst Heu verweigert wird?

  • vorübergehende Umstellung auf gesündere Trockenfutterarten
  • erweitertes Angebot an Heu
  • Angebot von Stroh
  • regelmäßige ein- bis zweistündige Entfernung des Trockenfutters
  • häufiges Angebot kleiner Trockenfuttermengen
  • täglich neuerliches Angebot kleiner gemischter Grünfutterportionen
  • Angebot von Zweigen

Kaninchen, die Grünfutter verweigern, müssen zunächst über mehrere Tage hinweg vom Fertigfutter "entwöhnt" werden, indem dessen Angebot allmählich reduziert wird. Im Anschluss ist es normalerweise möglich, ihnen das Grünfutter schmackhaft zu machen.

In dieser Übergangszeit spielt Heu eine wichtige Rolle, da Kaninchen aufgrund ihrer Verdauungsanatomie niemals fasten dürfen und daher auch dann ausreichend Futter zu sich nehmen müssen, wenn sie einerseits noch kein Grünfutter anrühren, ihnen aber andererseits nur noch wenig oder gar kein Trockenfutter mehr zur Verfügung steht.

Äußerst problematisch wird die Situation, wenn die Kaninchen derart "süchtig" nach Fertigfutter sind, dass sie weder Grünfutter noch Heu anrühren.

Längerfristige Futterverweigerung würde zur Gasentwicklung im Magen-Darm-Trakt und damit zu massiven, z. T. lebensbedrohlichen Verdauungsbeschwerden führen. Beobachten Sie daher gut, ob Ihre Tiere überhaupt an irgendetwas knabbern, solange ihnen kein Trockenfutter zur Verfügung steht.

Ist dies nicht der Fall, ist die Umstellung nur über Umwege möglich; z.B. indem Sie das gewohnte Trockenfutter zunächst durch ein anderes ersetzen - nämlich eine wenige schädliche Trockenmischung aus naturbelassenen, rohfaserhaltigen, gut verträglichen Inhaltsstoffen. Dabei handelt es sich meist um Mischungen z.  B. aus Trockenkräutern, -blättern und -blüten, Gemüse- und Obstchips, Saaten, Getreide- und Erbsenflocken, Getreide im Spelz und getrockneten Speisepilzen. Derartige Futtersorten werden mittlerweile in diversen Online-Shops angeboten, können aber auch selbst zusammengestellt werden.

Ein solches Futter ist immerhin gesünder als handelsübliche Trockenfuttersorten (mit Weizen, Zucker, Laktose, Pellets, Mehlprodukten, Honig, Melasse, ...) und die Umstellung auf Grünfutter kann guten Gewissens ohne Zeitdruck angegangen werden. Mischen Sie täglich eine größere Menge der neuen Trockenfuttersorte unter die gewohnte, bis letztere vollständig ersetzt wurde.

Das A und O bleibt zunächst, den Tieren in irgendeiner Weise das Heu schmackhaft zu machen.

Denn selbst, wenn sie bereits am Grünfutter knabbern, müssen sie daran allmählich über ein bis zwei Wochen gewöhnt werden; und auch in diesem Übergangszeitraum benötigen sie ein Futtermittel, das sie rund um die Uhr fressen dürfen. Hierfür eignet sich Heu sehr gut, da es keine gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe enthält und auch dann problemlos vertragen wird, wenn die Kaninchen bislang hauptsächlich oder ausschließlich Fertigfutter gefressen haben.

Probieren Sie daher möglichst viele unterschiedliche Heusorten aus - z.B. Heu ersten und zweiten Schnittes, von verschiedenen Herstellern und in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Ganz oben in der Gunst der Kaninchen stehen getrocknete Kräuter, die in kleinen Mengen (anderenfalls droht ein Kalziumüberschuss, der in Kombination mit geringer Flüssigkeitszufuhr - wie sie bei ausbleibender Grünfutteraufnahme immer der Fall ist - zu Harnwegserkrankungen führen kann) unters Heu gemischt werden können. Wenn die Kaninchen auch getrocknete Blätter und Blüten mögen, sollten diese gegenüber den Trockenkräutern bevorzugt gereicht werden, da sie weniger Kalzium enthalten.

Bieten Sie das Heu an mehreren Orten an, insbesondere den Lieblingsplätzen der Kaninchen; z.B. an den bevorzugten Ruheplätzen oder über bzw. vor der Toilettenschale.

Bei hartnäckigen Heuverweigerern existiert leider bis zur Gewöhnung an Grünfutter keine andere Möglichkeit, als vorläufig größere Mengen eines "gesunden" Trockenfutters (s. o.) anzubieten, um Verdauungsbeschwerden vorzubeugen. Es gilt allerdings:

Auch bezüglich "gesunden" Trockenfutters sollten unbedingt Maßnahmen ergriffen werden, um eine dauerhafte Ad-libitum-Fütterung zu vermeiden. Anderenfalls nehmen die Kaninchen permanent zu viel Kalzium und zu wenig Flüssigkeit mit der Nahrung auf, was sich im Laufe der Zeit meist in Form von Kalzinosen auf den Harntrakt niederschlägt.

Dies ließe sich z. B. umsetzen, indem Sie das Trockenfutter wann immer möglich für eine bis zwei Stunden entfernen (während derer natürlich weiterhin Heu, kleine gemischte Grünfuttermengen und möglichst auch Zweige zur Verfügung stehen). Auch im Anschluss sollte jeweils nur eine kleine Portion Trockenfutter gereicht werden: Eine derartige Vorgehensweise beugt einerseits einer permanenten Sättigung vor und animiert das Tier dazu, sich doch einmal an den alternativen Futtermitteln zu versuchen; andererseits lässt sich ein Verdauungsstillstand vermeiden, da der Nahrungsbrei regelmäßig weitergeschoben wird.

Viele Kaninchen knabbern gerne an Stroh. Dieses enthält zwar kaum Nährstoffe, dafür aber viel Rohfaser, die sowohl dem Zahnabrieb als auch dem Verdauungstrakt zu Gute kommt. Besonders bei Heuverweigerern, die durch die beschriebene Vorgehensweise auch nur begrenzt Trockenfutter erhalten, ist es daher ein wertvolles Nahrungsmittel und sollte unbedingt mit angeboten werden.

Zweige, vorzugsweise mit Blättern und Knospen, sind äußerst gesund und sollten täglich frisch angeboten werden - viele Kaninchen finden bereits deshalb Gefallen daran, weil es sich an ihnen so herrlich nagen lässt. "Im Weg" hängende oder über Unterstände gehängte Zweige animieren die Kaninchen dazu, sie durchzubeißen.


Welches Frischfutter sollte bevorzugt angeboten werden?

Oft reagieren gerade Frischfutterverweigerer besonders empfindlich auf die Umstellung. Daher sollten Sie sich vor allem darüber im Klaren sein, dass der Begriff "Grünfutter" nicht mit "Frischfutter" gleichgesetzt werden darf. "Grünfutter" bezeichnet die grünen, oberirdischen Pflanzenteile;  d.h. frische Gräser, Blätter, Kräuter und Zweige, die in aller Regel sehr gut vertragen werden, da sie reich an strukturierter Rohfaser sind. "Frischfutter" schließt hingegen auch rohfaserarmes wasserhaltiges Futter, wie z.B. Früchte und Wurzelgemüse, mit ein, welches nur in Maßen gesund ist.

Gerade zu Beginn der Umstellung muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die angebotenen Sorten nicht nur schmackhaft, sondern auch ganz besonders gut verträglich sind. So ist Obst, wie oben bereits erwähnt, nur in Leckerli-Portionen geeignet, da sowohl der hohe Fruktose- als auch der niedrige Rohfasergehalt die Darmflora beeinträchtigen können, und auch Wurzelgemüse eignet sich wegen der fehlenden Rohfaser und des hohen Stärkegehalts nur häppchenweise.

Hervorragend verträglich ist inbesondere Wiesengrün, das während der Sommer- und Herbstmonate geerntet wird.

Während der Umstellungsphase vermieden oder nur sehr eingeschränkt gereicht werden sollten Jungpflanzen (Vorsicht v.a. im Frühjahr!) und Klee, da sie blähend wirken und zu Beginn einer Umstellung mitunter noch nicht gut vertragen werden. Dasselbe gilt für Hartkohl. 

Kräuter, z.B. Karottengrün, Basilikum, Dill und Petersilie, sind nicht nur gut verträglich, sondern auch äußerst beliebt und ideal geeignet, um die Tiere zum Fressen zu animieren. Ebenfalls sehr gut vertragen wird strukturiertes Blattgemüse, z.B. verschiedene Bittersalatsorten, Wirsing, Kohlrabi- und Blumenkohlblätter.

Da Kaninchen individuelle Geschmäcker besitzen, sollten Sie jederzeit verschiedene Sorten anbieten, um die Chance zu erhöhen, dass sich die Tiere schon bald "überzeugen" lassen. Achten Sie aber immer darauf, dass die Portionen anfangs nur sehr gering ausfallen, um den Verdauungstrakt nicht zu überfordern.

Sobald die Kaninchen Geschmack am Grünfutter gefunden haben, steigern Sie die Mengen ganz allmählich über ein bis zwei Wochen hinweg, bis die Tiere schließlich soweit daran gewöhnt sind, dass sie sich am Grünfutter sattfressen können.