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Enterocolitis bei Kaninchen

Als Enterocolitis (auch: mukoide Enteritis) wird gemeinhin eine durch Clostridien verursachte ansteckende Darmlähmung mit Mortalitätsraten (= Sterblichkeitsraten) von bis zu 100%, die in der Heimtierhaltung kaum eine Bedeutung hat, da sie fast ausschließlich Kaninchen im Säuglingsalter und deren säugende Mütter betrifft. Gelegentlich tritt die Enterocolitis bei ausgewachsenen Kaninchen durch fehlerhafte Antibiotikaeingabe auf.

Genau genommen bedeutet "Enterocolitis" übersetzt "Darm-Dickdarm-Entzündung", die natürlich auch durch andere Erreger entstehen kann. In diesem Artikel wird die o.g. Infektionskrankheit behandelt.


Erreger (Bakterien):

  • Clostridium perfringens, Typ A und C
  • Clostridium spiroforme
  • Clostridium sardelli
  • Clostridium piliformis


Infektion

Übertragung:

  • direkt über (latent) infizierte Artgenossen
  • Indirekt über kontaminierte Objekte / Umgebungen


Begünstigende Faktoren:

  • Hygienemangel
  • Fütterungsfehler
  • Stress
  • unausgereifte Darmflora im Säuglingsalter
  • Primär(darm)erkrankung
  • orale Eingabe bestimmter Antibiotika (Penicillin, Lincomycin, Ampicillin, Amoxicillin, Cephalosporine, Clindamycin, Erythromycin)
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Nach Aufnahme der Clostridien heften sich diese an die Darmzellen des Kaninchens und verhindern dort die Resorption von Wasser und Elektrolyte, sodass diese mit dem Kot ausgeschieden werden - es kommt zu Durchfall. Zugleich produzieren sie das sogenannte Alpha-Toxin, ein Gift, das zur Lähmung glatter Muskeln führt. Die Darmperistaltik kommt dadurch zum Erliegen, was v.a. im Bereich des Grimmdarms fatale Folgen hat:

Beim gesunden Kaninchen erfolgt hier durch den sogenannten "Fusus coli", eine Art Schrittmacher des Darmes, die Trennung faseriger von nicht faserigen Nahrungsbreibestandteilen, die im Anschluss in den Blind- bzw. Mastdarm geschleust werden. Ist diese Funktion gestört, ist erstens keine Nahrungsverwertung mehr möglich; zweitens kommt es zunächst im Blinddarm, später auch im Mastdarm zur Anschoppung unverdauter Kotmassen, was einen Darmverschluss zur Folge hat; somit findet im Anschluss an die schweren Durchfälle kein Kotabsatz mehr statt. In Extremfällen reißen die Darmwände, sodass der Inhalt sich in die Bauchhöhle ergießt.

Die Immunabwehr gegen den Erreger ist insbesondere dadurch nur eingeschränkt möglich, dass Antikörper durch den Kontakt mit Alpha-Toxin zerstört werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kaninchen ihre Nahrung nicht mehr verwerten können.

Alpha-Toxin erhöht die Permeabilität der Blutgefäße, wodurch es zum Blutaustitt in die Brust-, die Bauchhöhle oder die Lunge kommen kann. Die Folgen sind schwere Entzündungen bzw. Atemnot bis zum Erstickungstod.

Außerhalb des Tierkörpers bilden Clostridien enorm widerstandsfähige und langlebige Sporen, die immun gegen zahlreiche Desinfektionsmittel sind.

Beim ausgewachsenen, gesunden, artgerecht gefütterten Kaninchen ist die physiologische Darmflora stabil und o.g. pathogene (krankmachende) Bakterien haben keine Möglichkeit, sich in größerer Menge anzusiedeln. Im Säuglingsalter ist dies noch nicht der Fall. Daher ist die Erkrankung für Kaninchenwelpen so gefährlich, während sie bei erwachsenen Tieren kaum eine Chance hat, sich in dieser Form zu manifestieren.

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Symptomatik

  • faulig-süßlich riechender Durchfall mit gallertartigem Schleimbeisatz
  • Danach: ausbleibender Kotabsatz
  • Exsikkose (= Austrocknung)
  • Gewichtsverlust, Kachexie (= Abmagerung)
  • Apathie (= Teilnahmslosigkeit)
  • Anorexie (= Appetitlosigkeit)
  • Atemnot
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Erste, bereits gravierende Symptome einer Eneterocolitis treten nach zwei Tagen oder deutlich längerer Zeit in Form von z.T. schweren Durchfällen von faulig-süßlichem Geruch auf, die meist in Kombination mit einem gallertartigen Schleimbeisatz ausgeschieden werden. Das betroffene Kaninchen zeigt ein zunehmend gestörtes Allgemeinbefinden mit Apathie (= Teilnahmslosigkeit) und Anorexie (= Appetitlosigkeit) und verliert binnen kürzester Zeit deutlich an Gewicht.

Bei ausbleibender Infusionsbehandlung führen die Durchfälle zur Exsikkose (= Austrocknung), die Sie leicht erkennen können, indem Sie behutsam eine Hautfalte greifen und wieder loslassen: Beim gesunden Tier verstreicht sie sofort, bei einem dehydrierten Tier verzögert oder gar nicht.

Im Anschluss an den Durchfall erfolgt keinerlei Kotabsatz mehr, da die darminterne, infolge der Darmlähmung entstehende Kotmassenanschoppung einen Darmverschluss hervorruft.

Im Falle von Hämorrhagien (= inneren Blutungen) oder Blutstauungen kommt es zur schweren Atemnot.

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Diagnostik

  • Kotuntersuchung
  • (Palpation) (= Abtasten)
  • (Sonographie)
  • (Röntgendiagnostik)
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Der Blinddarm erkrankter Kaninchen äußert sich palpatorisch (= durch Abtasten) als ein teigiger Strang und verhärtet sich während des weiteren Krankheitsverlaufes zunehmend.

Kotanschoppungen und ein ungeformter Darminhalt lassen sich zwar röntgen- und ultraschalldiagnostisch darstellen, erlauben jedoch noch keine Diagnose, da diesbezügliche Auffälligkeiten den durch andere Darmerkrankungen hervorgerufenen Symptomen sehr ähnlich sind. Ein stärkeres Indiz bieten zusätzlich vorhandene Einblutungen, die durch bildgebene Diagnostik ebenfalls erkennbar sind.

Der eindeutige Erregernachweis erfolgt durch eine Kotuntersuchung; doch ist bereits anhand des klinischen Bildes des Kotes - insbesondere Gallert-Beisatz und Geruch - eine recht zuverlässige Verdachtsdiagnosestellung möglich.

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Therapie

  • Euthanasie

oder

  • Antibiotikum
  • Pro- und Präbiotikum
  • Infusionen
  • Zwangsfütterung

Nur bei sofortiger tierärztlicher Behandlung besteht die Chance, ein erkranktes Kaninchen noch zu retten!

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Nehmen Sie unbedingt eine Kotprobe mit zum Tierarzt - zwar muss bei Verdacht auf Enterocolitis direkt mit der Therapie begonnen werden, da es zu lange dauern würde, erst das Kotergebnis abzuwarten; allerdings muss die Therapie je nach Resultat evtl. angepasst werden. Davon abgesehen ist für die künftige Prophylaxe eine exakte Erregerbestimmung notwendig.

Der Therapieversuch erfolgt mit einem Antibiotikum (Tilmicosin) - unbedingt in Kombination mit einem Pro- und Präbiotikum! - , stationärer Intensivbehandlung inklusive intravenösen Infusionen und Zwangsfütterung. Je nach Zustand des Kaninchens ist in vielen Fällen allerdings eine Euthanasie vorzuziehen; wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit ein qualvoller Erstickungstod zu erwarten ist, sollte kein Therapieversuch unternommen werden.

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Prognose

Eine Therapie der Enterocolitis ist - gerade bei Jungtieren - selten erfolgreich, da mit Auftreten der Symptome meist schon schwerwiegende, irreparable Schädigungen des Dickdarms verursacht worden sind. Meist versterben die Tiere innerhalb von zwei bis fünf Tagen.

Auf den akuten folgt der chronische Krankheitsverlauf, da die Clostridien, ganz besonders aber die im Kaninchenzuhause existierenden Sporen, selten vollständig eliminiert werden können. Dies bedeutet, dass es im Falle einer Immunsuppression oder Belastung des Darmes leicht zu einem Rückfall kommen kann - weshalb prophylaktische Maßnahmen bei Tieren, die schon einmal erkrankt waren, umso wichtiger sind.


Prophylaxe

  • Schutzimpfung
  • tiergerechte, hygienische Unterbringung
  • gesunde Ernährung
  • allgemeine Gesunderhaltung
  • (Kotuntersuchung neu angeschaffter Kaninchen)
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Schutzimpfung: Es ist möglich, Häsinnen sowie Welpen ab 3 Wochen mittels einer Impfung vor den Alpha-Toxinen des Haupterregers Clostridium perfringens, Typ A, zu schützen. Auf die Weise wird die tödliche Lähmung der glatten Darmmuskulatur verhindert.

Zuvor sollte allerdings festgestellt werden, ob der Erreger überhaupt in der Kaninchenunterkunft vorhanden und eine Impfung somit sinnvoll ist (Untersuchung des Kotes auf Sporen).

INFO: Schutzimpfungen

Tiergerechte, hygienische Unterbringung: Da Kaninchen vergleichsweise stressempfindiche Tiere sind und Stress sich bekanntlich aufs Immunsuppression niederschlägt, sind angemessene Haltungsbedingungen für die Gesunderhaltung von großer Bedeutung. Dazu gehören rund um die Uhr ausreichen Platz, arteigene Gesellschaft, Beschäftigungsmöglichkeiten und Sauberkeit.

Gesunde Ernährung: Der Schlüssel zu einem stabilen, widerstandsfähigen Verdauungstrakts liegt in einer naturnahen Fütterung - d.h. täglich frisches Grün als Grundnahrung, zusätzlich hochwertiges Heu rund um die Uhr, ständig sauberes Wasser und das Streichen schädlicher Nahrungsmittel vom Speiseplan. Hierzu gehören Trockenfertigfutter, glutenhaltiges (Weizen, Roggen) sowie verarbeitetes Getreide (hartes Brot, Pellets) und handelsübliche Leckerlis. Insbesondere das im Weizen enthaltene Gluten liefert Clostridien eine hervorragende Nahrungsquelle.

Allgemeine Gesunderhaltung: Da eine Immunschwäche den Ausbruch einer Enterocolitis stark begünstigt, leistet die allgemeine Gesundherhaltung einen wichtigen prophylaktischen Beitrag. Dies gilt insbesondere für die sofortige und sorgfältige Behandlung von Magen-Darm-Unpässlichkeiten, da ein bereits angeschlagener Darm besonders sensibel auf Sekundärerkrankungen (= Folgeerkrankungen) reagiert.

Eine Kotuntersuchung neu angeschaffter Kaninchen vor der Vergesellschaftung bringt eventuell vorhandene Erreger zum Vorschein und ermöglicht gegebenenfalls eine Therapie sowie die Herstellung eines spezifischen Impfstoffes. Hierfür allerdings muss die Kotuntersuchung im Labor speziell auf Bakterien untersucht werden: Bei der routinemäßgen Kotuntersuchung in der Tierarztpraxis werden lediglich Kokzidien, Würmer und Hefen erkannt.

Wer bezüglich Clostridien auf Nummer sicher gehen möchte, muss eine bakteriologische Untersuchung veranlassen. Empfehlenswert ist diese Maßnahme vor allem dann, wenn Sie Jungtiere oder immunschwache Kaninchen im Haus haben sowie wenn das neu aufgenommene Tier aus einer schlechten Haltung kommt oder Verdauungssymptome zeigt.

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