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Probiotika & Präbiotika für Kaninchen

Bei Prä- und Probiotika handelt es sich um Medikamente, die prophylaktisch oder therapeutisch bei Kaninchen mit Verdauungsproblemen oder während einer Antibiotika-Therapie zum Einsatz kommen.

Da die Wirkungsweise zwar unterschiedlich, das Ziel jedoch identisch ist, werden Pro- und Präbiotika häufig zusammen eingesetzt und es gibt verschiedene Kombinationspräparate.


Hintergründe

In jedem Dickdarm – egal ob vom Menschen oder vom Tier – befinden sich unzählige Bakterien, die sich positiv auf Verdauung und Gesundheit auswirken.

Dies erfolgt direkt durch die Verstoffwechselung verschiedener Nahrungsbestandteile (die nicht bereits im Dünndarm verwertet wurden); die hierdurch entstehenden Stoffwechselprodukte (z.B. flüchtige Fettsäuren) werden über die Darmwand resorbiert und halten den pH-Wert im Darm auf einem gesunden Niveau.

Indirekt hilft die gutartige Darmflora, indem sie pathogene (= krankmachende) Bakterien verdrängt und deren Vermehrung verhindert.

Durch Imbalancen, z.B. infolge bestimmter Antibiotika oder ungesunder Ernährung, kann die gutartige Darmflora absterben oder ungünstige Lebensbedingungen vorfinden, wodurch sich pathogene Bakterien explosionsartig vermehren und zu Gesundheitsproblemen (Gasbildung, Durchfall, mangelnde Nährstoffresorption, Darmentzündung, …) führen.

Beim Kaninchen ist die gutartige Darmflora absolut überlebenswichtig – ihr Absterben kann innerhalb kürzester Zeit lebensbedrohlich werden. Dies liegt daran, dass pathogene Bakterien ihren Platz einnehmen und derart hochgradige Aufgasungen verursachen können, dass u.a. ein massiver Druck auf das Zwerchfell entsteht. Mögliche Folgen sind Atemnot, eine Beeinträchtigung der Herzfunktion, die Verdrehung eines Leberlappens (Leberlappentorsion) und ein Einreißen des Zwerchfells. 

Auch können giftige Stoffwechselprodukte der pathogenen Bakterien über die – infolge des veränderten pH-Wertes – geschädigte Darmschleimhaut in die Blutbahn gelangen und eine Blutvergiftung verursachen.

Da Kaninchen, ebenso wie Menschen und andere Säugetiere, keine Enzyme zur Verdauung von Zellulose besitzen, gelangt diese unverdaut in den Dickdarm. Kaninchen und viele andere nicht-wiederkäuende Pflanzenfresser (Hasen, Meerschweinchen, Degus, Chinchillas, …), deren Nahrung zu einem großen Anteil aus Zellulose besteht, haben hier einen ausgeklügelten Mechanismus entwickelt:

Die gröberen Faseranteile der Zellulose (> 0,5 mm) werden rasch unverdaut wieder ausgeschieden, wodurch die Darmmotilität aufrecht erhalten, also der Darm in Schwung gehalten wird. Die feineren Bestandteile hingegen gelangen in den äußerst voluminös ausgebildeten Blinddarm, wo sie der dort befindlichen Darmflora als Nahrungsquelle dienen. 

Beim Aufschluss der Zellulose entstehen u.a. flüchtige Fettsäuren, die von der Darmwand resorbiert und den Tieren als Energiequelle dienen. Die Bakterien bilden weiterhin B- und K-Vitamine und liefern wertvolle Proteine. Da diese Nährstoffe allerdings im Dickdarm nicht resorbiert werden, scheidet das Kaninchen sie als sogenannten Blinddarmkot aus und nimmt diesen direkt vom After wieder zu sich, um sie beim 2. Verdauungsdurchgang im Dünndarm zu resorbieren.

Im Gegensatz zum Menschen können Kaninchen als sogenannte „Dickdarmverdauer“ also unter keinen Umständen ohne Blinddarm leben!


Wie wirken Pro- und Präbiotika?

Probiotika

Probiotika enthalten gutartige Darmbakterien.

Nimmt das Tier (oder der Mensch) sie oral auf, sollen sie sich im Dickdarm ansiedeln und vermehren, um die o.g. positiven Effekte auf die Verdauung auszuüben und die Vermehrung pathogener Bakterien zu hemmen. Letzteres beugt nicht nur Aufgasungen und Durchfällen vor, sondern senkt auch die Ammoniakbelastung der Leber, da erstens die gutartigen, milchsäurebildenden Bakterien die Ammoniakbildner zurückdrängen und zweitens Milchsäurebildung den pH-Wert im Darm senkt, was dazu führt, dass Ammoniak zu Ammonium umgewandelt und mit dem Kot ausgeschieden wird.

Ferner stimulieren probiotische Bakterien die unspezifische Immunabwehr.

Allerdings sollten Probiotika immer kritisch auf ihre Zusammensetzung überprüft werden. Die enthaltenen Bakterienstämme müssen säureresistent sein, um die Magenpassage zu überleben. Auch durch Enzyme und Gallensalze dürfen sie nicht absterben, anderenfalls können sie im Darm keinerlei Funktion mehr ausüben. Weiterhin sollten die Bakterien in der natürlichen Darmflora des Kaninchens vorkommen, um einen langfristigen Nutzen erzielen zu können. Einige „fremde“ Bakterien (z.B. Laktobazillen, Bifidobakterien und Streptococcus faecium) können das Darmmileu zwar durch die Produktion von Milchsäure grundsätzlich auch verbessern, sich aber langfristig nicht ansiedeln.

Gut geeignete, da physiologische und verdauungsresistente Bakterien sind Enterococcus faecium sowie Arten der Gattung Bacteroides

Präparate, die diese Bakterienstämme enthalten, sind zum Beispiel ProPre-Bac® der Firma Dechra (zur Zeit nicht lieferbar) und das Humanprodukt OMNi BiOTiC® 10.


Prä- / Prebiotika

Prä- oder Prebiotika enthalten keine Bakterien, sondern bestimmte Nährstoffe, die den (gutartigen) Darmbakterien als Nahrungsquelle dienen und dadurch ihre Ansiedelung und Vermehrung fördern.

Bei den Nährstoffen handelt es sich meist um (für das Kaninchen) unverdauliche Kohlenhydrate wie Pektine, Inulin, Laktulose oder resistente Stärke. Diese zu den Oligo- oder Polysacchariden gehörenden Kohlenhydrate passieren den Dünndarm und gelangen „unangetastet“ in den Blinddarm, wo sie durch die Darmbakterien verstoffwechselt werden.

Die positiven Effekte der Präbiotika entsprechen also denen der Probiotika – da sie zwar nicht direkt die Darmflora ansiedeln, aber ihre Vermehrung indirekt durch geeignete Nährstoffe ankurbeln.

Mannan-, Frukto- und Gluko-Oligosaccharide sind vor allem in bestimmten Hefen der Gattung Saccharomyces enthalten. Sie binden pathogene Bakterien wie E. coli und machen sie dadurch unschädlich. Weiterhin schaffen sie durch Atmung ein anaerobes (sauerstofffreies) Darmmilieu, wodurch sie aerobe Keime absterben lassen.

Ein natürliches, sehr gutes Präbiotikum ist z.B. Apfelpektin, welches Sie in Human-Apotheken bekommen. In Flockenform fressen es viele Kaninchen freiwillig, es muss jedoch unbedingt vorab in etwas Wasser eingeweicht werden – sonst quillt es im Darm auf und kann gefährliche Verstopfungen verursachen.

Laktulose wirkt zugleich präbiotisch und abführend. Es ist daher hervorragend für Kaninchen geeignet, die an Verstopfungen leiden, dazu neigen oder sich im Fellwechsel befinden und beim Putzen viele Haare aufnehmen.

Kot-Suspensionen sind ein häufig empfohlenes "natürliches" Probiotikum. Hierbei soll der Blinddarmkot eines gesunden Kaninchens, welcher physiologische Darmbakterien enthält, verwendet werden, um ihn dem kranken Tier einzuflößen. In der Praxis ist dieser Ratschlag schwer umzusezten, da ein gesundes, adäquat ernährtes Kaninchen seinen Blinddarmkot unmittelbar vom After wieder aufnimmt, sodass man ihn als Besitzer gar nicht erst zu Gesicht bekommt und somit auch nicht aufsammeln kann. 

Ersatzweise können Hartköttel verwendet werden. Sie erhalten jedoch deutlich weniger Darmbakterien als Blinddarmköttel. Auch ist fraglich, wie viele Bakterien den Darm des Kaninchens lebend erreichen, da eine Kotsuspension aus zerquetschten Kötteln besteht - die Bakterien also ungeschützt der Magensäure ausgesetzt sind. Bei der natürlichen Aufnahme von Blinddarmkot ist dies nicht der Fall, da das Kaninchen ihn unzerkaut verschluckt, wodurch die schützende Schleimhülle erhalten bleibt.  

Dennoch schadet es auf keinen Fall, wenn Sie ein Kaninchen mit einer beeinträchtigten  Darmflora mit Kotsuspensionen unterstützen.


Wann kommen Pro- und Präbiotika zum Einsatz?

Pro- und Präbiotika haben grundsätzlich keine Nebenwirkungen, sondern ausschließlich positive Effekte auf die Gesundheit des Kaninchens. Somit werden sie besser einmal zu häufig als einmal zu selten angewendet. Beispiele für die Anwendung:

  • therapeutisch gegen Verdauungsstörungen verschiedener Art (Durchfall, Verstopfung, Aufgasung, Bauchschmerzen)

  • prophylaktisch bei Kaninchen, die aufgrund von Schmerzen oder einer Grunderkrankung schlecht fressen

  • prophylaktisch bei bekanntermaßen empfindlichen Kaninchen in bestimmten Situationen (psychischer Stress, vor und nach Narkosen, bei anderweitigen Erkrankungen, Futterumstellung, …)

  • prophylaktisch bei Kaninchen, die ihren Blinddarmkot aufgrund einer Erkrankung, Bewegungseinschränkung oder Fehlernährung nicht (vollständig) aufnehmen

  • während und nach einer Antibiotika-Therapie, insbesondere bei grampositivem Wirtsspektrum (Wirkstoffe Penicillin, Lincomycin, Ampicillin, Amoxicillin, Cephalosporin, Clindamycin und Erythromycin)

  • bei Leberfunktionsstörungen, um die Ammoniakbelastung zu senken, da der Ammoniak-Abbau durch die Leber eingeschränkt ist


Verabreichen Sie Probiotika nicht zeitgleich mit Antibiotika.

Das Antibiotikum könnte die im Probiotikum enthaltenen Bakterien abtöten, noch ehe sie den Darm erreicht haben. Geben Sie daher unbedingt beides um mindestens zwei Stunden zeitversetzt.