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Der Magen-Darm-Trakt des Kaninchens

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Ein ständiges Futterangebot ist überlebenswichtig

Im Gegensatz zum Menschen und den meisten Säugetieren verfügen Kaninchen nicht über einen Muskel-, sondern über einen Stopfmagen und -darm. Das bedeutet, dass ihr gesamter Magen-Darm-Trakt nur geringfügig bemuskelt ist, woraus sich erstens schlussfolgern lässt, dass Kaninchen nicht erbrechen können. Somit durchläuft auch zu viel oder unverträgliche Nahrung zwangsläufig den gesamten Verdauungstrakt.

Zweitens hat die nur schwach ausgeprägte Muskelschicht zur Folge, dass die Wände des Kaninchenmagens vergleichsweise dünn sind, was ihn erstens sehr empfindlich und zweitens sehr dehnbar macht.

Entsprechend fatal wirkt sich eine übermäßige Belastung aus, z.B. aufgrund zu starker Füllung, quellender Futtermittel oder Gasbildung: Die Tiere leiden unter kolikartigen Schmerzen, im Extremfall kommt es sogar zum Einreißen der Magenwände, was mit einem Todesurteil für das Tier gleichzusetzen ist.

Die dritte, hinsichtlich der täglichen Fütterung sehr bedeutsame Eigenschaft der Stopfmägen besteht darin, dass die Verdauung nur funktioniert, solange die aufgenommene Nahrung durch nachfolgenden Speisebrei weitergeschoben wird.

Aus diesem Grund sowie wegen des vergleichsweise geringen Fassungsvermögens ihres Magens sind die Tiere darauf angewiesen, über den Tag verteilt zahlreiche kleine Mahlzeiten zu sich zu nehmen, was bei einem ständigen Futterangebot instinktiv geschieht. Die von Experten veröffentlichen Angaben über die Zahl der täglichen Einzelmahlzeiten reichen von vierzig bis weit über hundert. Hier scheinen die individuellen Gewohnheiten der Tiere, das Futterangebot sowie die Jahreszeit (Hitze z. B. senkt Aktivität und Appetit) eine Rolle zu spielen.

Infolge eines Futterentzugs – und dafür können gerade an heißen Sommertagen bereits einige Stunden ausreichend sein, weshalb Kaninchen zu dieser Jahreszeit besonders gefährdet sind – entstehen Fehlgärungen infolge des mangelnden Weitertransports der Nahrung, die zu Aufgasungen des Magen-Darm-Traktes führen. Infolge der Schmerzen nehmen die Tiere auch weiterhin keine Nahrung zu sich - ein Teufelskreis, der bei ausbleibender Notbehandlung tödlich endet!

Die Ursache der Fehlgärungen liegt in einer Entgleisung der Darmflora: Im Blinddarm gesunder Tiere wird der Nahrungsbrei durch gutartige Bakterien weiter aufgeschlossen, wodurch u.a. lebenswichtige B-Vitamine gebildet werden. Diese werden als sogenannter Blinddarmkot (kleine, feucht glänzende Kotkügelchen, oft traubenförmig aneinander haftend) ausgeschieden, welchen die Tiere – meist direkt vom After – wieder zu sich nehmen, um die enthaltenen Nährstoffe beim zweiten Verdauungsdurchgang verwerten zu können.

Bei einem Verdauungsstillstand “kippt” das Darmmilieu vom basischen in einen sauren Zustand: Infolgedessen stirbt die natürliche Darmflora ab, während sich unerwünschte, gasbildende Bakterien explosionsartig vermehren.


Verdauungsvorgänge im Magen

Aufgenommene Nahrung wird in der Maulhöhle durch mahlende Kieferbewegungen zerkleinert und mit Speichel durchmischt. Dieser sorgt einerseits für Gleitfähigkeit und somit ein unproblematisches Abschlucken des Nahrungsbreis und enthält andererseits die Enzyme Trypsin sowie Amylase, welche zur Verdauung von Proteinen und Kohlenhydraten benötigt werden.

Beim Abschlucken passiert der Nahrungsbrei den Rachen und gelangt über den Ösophagus (= die Speiseröhre) durch die Cardia (= den Mageneingang) in den Gaster (= Magen). Hier erfolgt eine Durchmischung mit der Magensäure, die einerseits Bakterien abtötet, andererseits aktives Pepsin enthält, welches wiederum eine "Andauung", d.h. eine erste grobe Proteinspaltung, hervorruft. Hierzu trägt auch das mit dem Speichel abgeschluckte Trypsin bei.

Entgegen landläufiger Meinung wird der Mageninhalt nicht unmittelbar durch die nächste abgeschluckte Nahrungsportion in den Darm geschoben, sondern verbleibt einige Zeit im Magen; nur dann kann die Magensäure ihre volle Wirkung entfalten.

Während der Magen kleinwüchsiger Kaninchen normalerweise zu etwa 50 ml gefüllt wird, kann er sich unter Druck auf rund 200 ml ausdehnen! Dies ist beispielsweise bei einem Ileus (Darmverschluss), aber auch bei einer Magenüberladung der Fall. Sekundär kommt es zur Gasbildung.

Bei einer naturnahen Fütterung sind Magenüberladungen und Darmverschlüsse aus mehreren Gründen seltener zu beobachten:

  • Da die Kaninchen ständig Futter zur Verfügung haben, bleiben starke Hungergefühle und ein daraus resultierendes Herunterschlingen der Nahrung aus.

  • Durch ein ständiges oder mindestens zweimal täglich erfolgendes Grünfutterangebot wird einem "Heißhunger" auf die natürliche Nahrung vorgebeugt. Die Tiere fressen gleichmäßig über den Tag verteilt und nicht so hastig, dass die Gefahr eines "Überfressens" besteht.

  • Ein Ad-libitum-Angebot von Grünfutter gewährleistet eine reichliche Zufuhr an Rohfaser und Flüssigkeit - zwei Grundvoraussetzungen für eine geregelte Darmtätigkeit.

  • Neue Futtersorten, auf die die Kaninchen sich mitunter begeistert stürzen, werden zunächst nur in kleinen Mengen gereicht, die im Laufe der Tage allmählich vergrößert werden.

  • Auf Trockenfutter wird weitestgehend oder komplett verzichtet:Es kann nicht nur deutlich schneller als Grün- und Raufutter zerkleinert und dadurch regelrecht verschlungen werden (ausgenommen bei einem Ad-Libitum-Angebot, welches jedoch andere Gesundheitsschäden nach sich zieht), sondern besitzt zudem eine Konsistenz, durch welche es in Verbindung mit Flüssigkeit - also v.a. im Magen - aufquillt. Dies gilt besonders für gepresste, aus sehr feinen Bestandteilen zusammengesetzte Nahrungsmittel (z.B. Pellets). Die Magenüberfüllung wird zusätzlich begünstigt, da Tiere nach einer ausgiebigen Trockenfutter-Mahlzeit oft viel trinken.


Wer diese sechs Punkte beachtet, gewährleistet damit, dass die Kaninchen ihre Nahrung jederzeit in aller Ruhe ausführlich zermahlen und der Futterbrei physiologisch durch den Darm transportiert wird. Dadurch gelangen weder binnen kurzer Zeiträume große Mengen Nahrung in den Magen, noch trinken die Tiere zu hastig, verzehren quellende Nahrungsbestandteile oder schlucken aus Gier zu grobe Futterstücke oder Luftmengen ab, die den Magen übermäßig füllen könnten. Auch einer Darmträgheit und Anschoppung im Darm wird weitestgehend vorgebeugt.


Verdauungsvorgänge im Darm

Durch den Pylorus (= den Magenpförtner) gelangt der Nahrungsbrei durch langsame peristaltische Wellen der Magenmuskulatur sowie den kontinuierlichen Druck nachfolgend aufgenommener Nahrung in den ersten Teil des Dünndarms, das Duodenum (=den Zwölf-Finger-Darm). Dieser besitzt beim Kaninchen eine Gesamtlänge von rund drei Metern.

Gallenblase und Pankreas (= Bauchspeicheldrüse) geben ihre Sekrete, die Galle und den Bauchspeichel, in das Duodenum ab, wodurch die Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Fettspaltung erfolgt. Die aufgeschlossenen Nährstoffe werden von der Dünndarmschleimhaut aufgenommen und gelangen in die Lymphe, im Anschluss direkt in den Blutkreislauf.

Über die weiteren Abschnitte des Dünndarms, das Jejunum (=den Leerdarm) sowie das Ileum (=den Hüftdarm), gelangt der übrige Nahrungsbrei - bestehend aus allen Nahrungsbestandteilen, die bislang nicht verdaut werden konnten - in den Dickdarm. Im ersten Abschnitt des Colons (= Grimmdarms) befindet sich der sogenannte Fusus coli, eine Art Schrittmacher, der durch Muskelkontraktionen die Trennung der Nahrungsbestandteile nach ihrer Verdaulichkeit regelt. 

Unverdauliche, grobfaserige Nahrungsbestandteile mit einer Größe von über 0,3 mm werden dabei weiter in Richtung Rektum (= Mastdarm) geschoben und als Hartkot ausgeschieden, während kleinere Moleküle zunächst - entgegengesetzt der "normalen" Richtung - in das abzweigende Caecum (= den Blinddarm) zurücktransportiert werden.

Im Caecum erfolgt beim Kaninchen die Zelluloseaufspaltung durch die gutartige Darmflora, wodurch freie Fettsäuren, hochwertige Proteine sowie lebenswichtige B- und K-Vitamine produziert werden. Die flüchtigen Fettsäuren werden über die Blinddarmschleimhaut vom Organismus aufgenommen und als Energieträger genutzt, aus dem übrigen Teil des bakteriell aufgeschlossenen Nahrungsbreis wird die sogenannte Caecotrophe (= der Blinddarmkot) produziert, welche das Kaninchen nach der Ausscheidung wieder fressen muss, um die enthaltenen Nährstoffe verwerten zu können.

Bei den sogenannten Darmzotten handelt es sich um mit Blutkapillaren durchzogene Ausstülpungen der Darmschleimhaut, welche der Oberflächenvergrößerung und damit der vermehrten Nährstoffaufnahme aus dem Darm ins Blut dienen. Diese wird durch eine zu hohe Rohfaserkonzentration in der Nahrung (z.B. bei übermäßiger Fütterung mit holzigem Heu) drastisch reduziert.

Im auf den Dünn- und den Blinddarm folgenden Colon wird dem Nahrungsbrei Flüssigkeit entzogen und ins Blut aufgenommen, damit sie vom Körper weiterhin genutzt werden kann.

Aus den verbleibenden festen Bestandteilen des Nahrungsbreis werden die uns bekannten üblichen Köttel geformt. Letztlich gelangen sowohl der trockene als auch der Blinddarmkot in das Rektum (= den Mastdarm), ehe sie durch den After ausgeschieden werden. Die Caecotrophe, welche über 30% des Gesamtkotes ausmacht, wird direkt von dort wieder oral aufgenommen; diese Bewegung wird vom Laien oft als "Putzen" fehlgedeutet.

Eine zu energie- und proteinreiche Fütterung führt dazu, dass das Kaninchen seine Caecotrophe nicht mehr frisst, da sein Bedarf an Eiweiß bereits gedeckt ist. Dies kann Vitamin-Mangelerscheinungen sowie übelriechenden Verklebungen im Afterbereich führen. Typische "Übeltäter" für dieses Phänomen sind getrocknete Kräuter, Saaten und Getreideflocken. Auch die Fütterung eines ungewohnten Futtermittels oder die Verabreichung eines Medikaments kann dazu führen, dass der Blinddarmkot sich in Geruch und Geschmack verändert und vorübergehend liegengelassen wird.

Die Gesamtlänge des Verdauungstraktes eines Kaninchens beträgt zwischen vier und sechs Metern. Dementsprechend viel Zeit vergeht, bis die aufgenommene Nahrung vollständig verdaut ist: Grobe, wenig wertvolle Bestandteile passieren den Verdauungstrakt binnen 4-6 Stunden, während hochverdaulicher Nahrungsbrei lange im Blinddarm verbleibt mitunter erst nach 7-10 Tagen ausgeschieden wird.


Anatomische Besonderheiten des Blinddarms

Der Blinddarm ist für das Kaninchen von überlebenswichtiger Bedeutung, da hier die Aufspaltung des Hauptbestandteils seiner natürlichen Nahrung, der Zellulose, erfolgt. Diese Tatsache erklärt auch, dass der Blinddarm bis zu ein Drittel des Bauchhöhlenvolumens einnimmt. 

Aber Achtung: Nur die feinen Bestandteile der Zellulose gelangen in den Blinddarm! Grobe Bestandteile (> 0,3 mm) werden am Blinddarm vorbeigeschleust und als Hartkot ausgeschieden.

Die Zelluloseverdauung erfolgt vorrangig durch grampositive Bakterien, welche in dem basischen Mileu des Kaninchendarms mit einem zwischen 8 und 9 befindlichen PH-Wert optimale Lebensbedingungen vorfinden.

Kommt es infolge von Fütterungsfehlern wie z.B. dem Angebot von stark zucker- oder stärkehaltigen Nahrungsmitteln zu einer Senkung des PH-Wertes unter 7, entsteht ein saures Mileu, welches zu einem Absterben der natürlichen Darmflora und demzufolge zu Verdauungsstörungen führt. 

Zugleich kommt es zur Vermehrung von pathogener (= krankmachender) Bakterien und Hefen, die im gesunden Darm nur vereinzelt vorkommen. Durch die explosionsartige Vermehrung dieser Keime kommt es zu schweren Verdauungsstörungen, die mit lebensbedrohlichen Tympanien (=Aufgasungen) und Durchfällen einhergehen.

Die physiologische Zelluloseaufspaltung im Blinddarm hat sowohl die Freisetzung freier Fettsäuren und lebenswichtiger Vitamine als auch eine intensive Proteinbildung zur Folge, welche erst im zweiten Verdauungsdurchgang - also nach dem Fressen des Blinddarmkotes - in den Dünndarm gelangen und dort resorbiert werden.


Nahrungsverwertung

Aufgrund der im Blinddarm "arbeitenden" Darmflora sowie der zweimaligen Verdauung aufgenommener Nahrung sind Kaninchen - im Gegensatz zu Fleisch- und Allesfressern - dazu in der Lage, allein durch die Aufnahme von Zellulose einige lebenswichtige Nährstoffe herzustellen.

Der Blinddarmkot besteht aus Proteinen und Vitaminen sowie einem Teil der Blinddarmbakterien, welche sich v.a. aus Aminosäuren, aber auch Kohlenhydrahten und einem geringen Anteil an Fett zusammensetzen. Aus diesem Grund ist es theoretisch möglich, die abgestorbene Darmflora aufgegaster Kaninchen mithilfe einer Kotsuspension gesunder Artgenossen wieder anzusiedeln.

Der Blinddarmkot verbleibt dank seiner Schleimhülle, welche der Magensäure zunächst standhält, bis zu sechs Stunden im Magen - die enthaltenen Bakterien sind währenddessen weiter wirksam, indem sie lebensnotwendige Stoffe synthetisieren. Anschließend erfolgt eine Auflösung der Caecotrophe, wodurch ihre Nährstoffe freigesetzt werden und in die Blutbahn übertreten können.


Schädliche Nahrungsbestandteile


Zucker

Mit der Nahrung aufgenommener Zucker steht dem Kaninchen zwar als Energie zur Verfügung, kann aber nur in einem relativ geringen Ausmaß im Dünndarm resorbiert werden. Überschüsse gelangen in den Blinddarm und verändern dort das empfindliche Darmmileu. Andererseits wird überschüssige Energie in Fett umgewandelt und eingelagert, was im Laufe der Zeit - genau wie beim Menschen - zu Übergewicht führt.

Laktose (=Milchzucker)

Neugeborene Kaninchen verfügen über das Enzym Laktase, mit dessen Hilfe sie die in der Muttermilch enthaltene Laktose während der Säugezeit aufspalten und verdauen können. Nach dem Abstillen stellt der Organismus die Laktase-Produktion - ebenso wie bei anderen ausgewachsenen Säugetieren - jedoch ein. Die Fütterung von Milchprodukten - z.B. Quark, Schokolade, Joghurt-Drops - führt nun zwangsläufig zu Verdauungsstörungen in Form von Durchfall.


Gluten

Ähnlich wie Pferde können Kaninchen Gluten nur sehr schlecht verdauen. Einige Kaninchen kommen mit kleinen Mengen gut zurecht, andere reagieren äußerst sensibel und entwickeln verschiedene Beschwerden wie Durchfall, wiederkehrende Aufgasungen oder Phasen von Inappetenz. Auch Unverträglichkeiten auf Kohl oder allgemein auf Grünfutter können die Folge eines durch Gluten gereizten Darmes sein.

Gluten bringt in der Kaninchenernährung keinerlei Vorteile mit sich, dafür aber klare Risiken. Daher sollten Kaninchen grundsätzlich keinerlei Weizen- oder Roggenprodukte enthalten - auch nicht ab und zu oder in kleinen Mengen.